Gefängnistheater ist Bremen: Kein „Bühne frei“ im Knast

Auf einer Gefängnistheater-Tagung diskutierten Fachleute über Kunst mit Inhaftierten.

Dieser Mann sitzt eine Jugendstrafe ab und gehört damit zu einer Gruppe von "Geächteten". Bild: dpa

BREMEN taz | In Sachen Gefängnistheater ist Bremen „ein Entwicklungsland“, sagt Markus Herlyn, Projektleiter beim Theaterinstitut Studio 13. „Wenn ich den Kollegen aus Sachsen zuhöre, werde ich regelrecht neidisch.“ Gelegenheit für solche Vergleiche hatte er am vergangenen Wochenende: Anlässlich einer Fachtagung waren VertreterInnen von Theaterprojekten und aus dem Strafvollzug in Bremen zu Gast, um sich über Formen therapeutischen Theaters und dessen Rahmenbedingungen auszutauschen.

Sachsen gilt als Vorreiter der Gefängnistheaterarbeit. Willi Schmid, Strafvollzugs-Abteilungsleiter des sächsischen Justizministeriums, berichtete von etablierten Strukturen, über welche Knasttheater mit den Jahren zu einem „wichtigen Eckpfeiler der Resozialisierungsarbeit“ geworden sei. In Bremen hingegen, so Herlyn, setze man stattdessen auf den Sicherheitsgedanken.

Der Theatermacher spricht aus der Praxis: Mit inhaftierten Jugendlichen der JVA Oslebshausen hat er drei Stücke inszeniert und seine Akteure angeleitet, auch die eigenen Knastklischees zu reflektieren. „Doch die Reichweite solcher Maßnahmen ist begrenzt“, sagt er, „entscheidend ist, was mit den Akteuren passiert, wenn es danach wieder in die Zelle geht.“

Und eben das ist Ländersache: Seit der Föderalismusreform von 2006 entscheiden die Bundesländer eigenständig die rechtliche Ausgestaltung des Strafvollzugs. Den Entwurf eines Bremer Strafvollzugsgesetzes hat der Senat im Juli beschlossen und der Bürgerschaft vorgeschlagen. Nach der Abstimmungsphase könnte es 2015 in Kraft treten. In der Reglementierung von Hafturlauben und Arbeitspflichtung ist er restriktiver als das bundesweite Muster.

Herlyn würde auch gerne mit erwachsenen Sicherungsverwahrten arbeiten, aber die entsprechenden Projekte hängen seit Jahren in der Warteschleife. „Es scheitert schon daran, Sponsoren zu finden“, sagt er, „denn es gibt kaum eine geächtetere Gruppe als Strafgefangene“. Niemand könne sie als Identifikationsfläche brauchen. Stattdessen höre er ständig, es gehe den Gefangenen noch viel zu gut.

Innerhalb der Anstalten hängen die theaterpädagogischen Möglichkeiten oft an den Einschätzungen des Personals – in Bremen gilt Gefängnistheater laut Herlyn als reine Freizeitbeschäftigung.

Der Rechtssoziologe Johannes Feest hat Gefängnistheaterprojekte als Leiter des Strafvollzugsarchivs der Uni Bremen über Jahre dokumentiert. Auf der Tagung machte er deutlich: Über den Stellenwert solcher Arbeiten entscheidet die subjektive Einschätzung. Wenn Anstaltsleiter wollten, könnten sie Theater spielende Gefangene sogar bezahlen.

In der Politik stoßen die Theatermacher durchaus auf offene Ohren: Jörg Lockfeldt, Vollzugs-Abteilungsleiter beim Justizsenator, sieht im neuen Gesetz Chancen für resozialisierende Gefängnisprojekte und betonte den im Entwurf formulierten Öffnungsgrundsatz als eine gute Grundlage.

Herlyn freut sich über solche Fürsprecher und hofft, mit seiner Tagung entsprechende Impulse zu verstärken. „Es gibt durchaus einzelne reformistische Denker im System“, sagt er, aber auch deren Möglichkeiten seien beschränkt. Manchmal führe er durchaus vielversprechende Gespräche, aber wenn sein Gegenüber dann mit einer halben Stelle in der JVA arbeite, „lässt sich kaum etwas in die Praxis umsetzen“.

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