Gefechte in Donezk: Ukraine „im Kriegszustand“

Wieder ist ein Team von OSZE-Beobachtern in der Gewalt der Separatisten. Ukraines neuer Präsident wählt drastische Worte. Die EU verzichtet auf weitere Sanktionen.

Zerschossene Frontscheibe eines Trucks in Donezk. Bild: dpa

BERLIN/KIEW dpa | Für den neu gewählten ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko herrscht in der Ostukraine „Kriegszustand“. „Die Anti-Terror-Operation hat endlich richtig begonnen“, sagte er der Bild-Zeitung. „Wir werden diesen Schrecken beenden, hier wird echter Krieg gegen unser Land geführt.“ Er sehe es als seine vorrangige Aufgabe an, die Ukraine zu retten. „Wir befinden uns im Osten in einem Kriegszustand, die Krim wurde von Russland besetzt und es gibt eine große Instabilität. Wir müssen reagieren.“

Eines der Ziele des Einsatzes der Regierungstruppen im Osten sei, die Separatistenführer festnehmen zu lassen. „Wir wollen sie festnehmen lassen und vor ein Gericht stellen“, sagte Poroschenko. „Aber klar ist auch: Wenn schwer bewaffnete Kämpfer auf unsere Soldaten schießen, dann muss sich unser Militär wehren.“

Dort haben Separatisten offenbar erneut ein Team von OSZE-Beobachtern in ihre Gewalt gebracht. Die vier Männer würden von bewaffneten Separatisten festgehalten, teilte der dänische Handels- und Entwicklungsminister Mogens Jensen am Dienstagabend der Nachrichtenagentur Ritzau mit. Nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) war die Gruppe zwischen Donezk und Lugansk unterwegs, als der Kontakt am Montagabend abriss.

Die OSZE hatte am Dienstag nach eigenen Angaben noch kein Lebenszeichen von den vier Beobachtern aus der Schweiz, Dänemark, Estland und der Türkei. Das Team sei auf dem Rückweg von einer Patrouillenfahrt an einem Checkpoint aufgehalten worden, sagten mit der Mission vertraute Kreise. Es gebe bisher weder zu den Separatisten noch zu den Festgehaltenen einen direkten Kontakt.

Man gehe aufgrund von indirekten Informationen davon aus, dass die Teammitglieder nicht in Lebensgefahr seien. Forderungen seien bisher nicht gestellt worden, hieß es. Es sei nicht das erste Mal, dass Mitglieder der Beobachtermission festgehalten würden, aber es habe noch nie so lange gedauert, hieß es.

Nicht mit EU-Sanktionen gedroht

Für die Organisation sind derzeit 282 Beobachter in der Ukraine im Einsatz und sammeln Fakten zur Sicherheitslage. Ende April waren internationale Militärbeobachter, darunter vier Deutsche, von Separatisten in Slawjansk tagelang als Geiseln festgehalten worden.

Die Staats- und Regierungschefs der EU forderten Russland zur Zusammenarbeit mit Poroschenko auf. „Wir erwarten, dass die Russische Föderation mit dem neu gewählten und legitimen Präsidenten zusammenarbeitet, den Rückzug der Streitkräfte von der ukrainischen Grenze fortsetzt und ihren Einfluss auf die bewaffneten Separatisten nutzt, um die Lage in der Ukraine zu deeskalieren“, heißt es in der am frühen Mittwochmorgen in Brüssel veröffentlichten Erklärung.

In der Erklärung wird Moskau nicht mit EU-Sanktionen gedroht. Die Staats- und Regierungschefs nahmen die „Vorbereitungen für mögliche gezielte Maßnahmen“ der EU lediglich zur Kenntnis. Sie forderten Russland auf, „vorrangig“ zu verhindern, „dass Separatisten und Waffen in die Ukraine gelangen“. Die ukrainische Regierung müsse weiterhin „auf die Bevölkerung und die Zivilgesellschaft aller Regionen“ zugehen.

Heftige Gefechte in Donezk

ARD und ZDF ziehen vorerst ihre Teams aus Donezk ab, weil sich die Sicherheitslage in der Ostukraine innerhalb von 24 Stunden „enorm verschlechtert“ habe. Die Berichterstattung bleibe aber von anderen Orten aus gewährleistet, teilten WDR und ZDF am Dienstag mit. Laut Auswärtigem Amt seien Medienvertreter besonders gefährdet, von separatistischen Kräften festgehalten zu werden.

Heftige Gefechte mit zahlreichen Toten gab es vor allem im Gebiet der ostukrainischen Großstadt Donezk. Der Flughafen der Millionenstadt wurde nach Angaben der Regierung in Kiew nach schweren Kämpfen mit prorussischen Aufständischen zurückerobert. Bürgermeister Alexander Lukjantschenko sprach von mindestens 40 Toten. Im benachbarten Gebiet Lugansk sei ein Ausbildungslager der „Terroristen“ mit einem Luftangriff zerstört worden, teilte der ukrainische Innenminister Arsen Awakow mit.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief die Ukraine dazu auf, den Militäreinsatz gegen die Bevölkerung im Osten sofort zu beenden. Die Gewalt müsse nach dem Wahlsieg Poroschenkos umgehend aufhören, forderte Lawrow.

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