Geflohener chinesischer Dissident Chen: Spekulationen über Verhandlungen

Der Fall des geflohenen chinesischen Menschenrechtlers Chen Guangcheng wird zur Belastungsprobe für die Beziehungen zwischen China und den USA. Wo er sich aufhält, ist weiter unklar.

Soll sich in der US-Botschaft in Peking aufhalten: Chen Guangcheng. Bild: dpa

PEKING dpa/dapd/rtr | Nach der spektakulären Flucht des blinden chinesischen Dissidenten Chen Guangcheng aus seinem Hausarrest haben Menschenrechtler am Samstag über mögliche Verhandlungen zwischen Peking und Washington spekuliert. Sie gehen weiter davon aus, dass Chen Zuflucht in der US-Botschaft in Peking gesucht hat. „Chen steht unter dem Schutz der USA und derzeit laufen auf höchster Ebene Gespräche zwischen chinesischen und amerikanischen Regierungsvertretern über Chens Status“, hieß es in der Erklärung von der in den USA ansässigen Menschenrechtsorganisation ChinaAid.

„Dies ist ein Angelpunkt der amerikanischen Menschenrechts-Diplomatie“, schrieb Bo Fu, Vorsitzender von ChinaAid, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Nach seiner Darstellung wird bereits fieberhaft über die Zukunft des Bürgerrechtlers verhandelt. Ranghohe Vertreter Chinas und der USA hätten bereits Gespräche über den Fall aufgenommen. Bo Fu wertet den Fall Chen als Bewährungsprobe für die USA und ihr Image bei der Wahrung von Menschenrechten. „Wegen Chens großer Bekanntheit muss die Obama-Regierung zu ihm stehen oder sie riskiert, ihre Glaubhaftigkeit als Verteidiger der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit zu verlieren“, sagte Bo.

Doch der Fall kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die USA bei mehreren Themen die Unterstützung Chinas braucht – nicht zuletzt in den Atomkonflikten mit dem Iran und Nordkorea und zur Erhöhung des Drucks auf die Regierung in Syrien. Bilaterale Handelsstreitigkeiten, die Entwicklung der chinesischen Währung und die Beziehungen der USA und Taiwans dürften ebenfalls auf der Agenda der Gespräche mit Clinton am Donnerstag und Freitag stehen.

„Ich habe nichts Neues“

Die US-Regierung äußerte sich bislang nicht zu Medienberichten, wonach Chen in die US-Botschaft in der chinesischen Hauptstadt geflohen ist. „Wir haben in der Vergangenheit unsere Sorgen in dem Fall deutlich gemacht. Ich habe heute nichts Neues“, erklärte Außenministeriumssprecherin Victoria Nuland in Washington. Auch die chinesische Regierung äußerte sich nicht zu dem Fall.

Freunde Chens hatten am Freitag mitgeteilt, dass der 40 Jahre alte Bürgerrechtler seinen Bewachern im Dorf Dongshigu in der ostchinesischen Provinz Shandong entkommen und nach Peking gebracht worden sei. In einer am Freitagabend verbreiteten Videobotschaft forderte Chen den chinesischen Regierungschef Wen Jiabao auf, seine Familie vor „verrückten“ Repressalien zu schützen.

Der Bürgerrechtler hatte sich seit Ende der 90er Jahre mit seinem Einsatz für Opfer von Machtwillkür einen Namen gemacht. Als Jurist half er auch Opfern von Zwangsabtreibungen in der Stadt Linyi und war den Behörden deshalb ein Dorn im Auge. 2005 wurde er zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Seit Ablauf einer Haftstrafe im September 2010 waren Chen und seine Frau in seinem Haus festgehalten worden.

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