Gegen Kommerz im Fußball: Fans kaufen Stadionnamen

Um nicht irgendwann missmutig in der Irgendwas-Arena sitzen zu müssen, erwerben Anhänger von Eintracht Braunschweig den alten Stadionnamen.

Stadionbanner mit Aufschrift "Unerschütterlich" vor gelbem Rauch

Ein Rauch sagt mehr als tausend Worte: Braunschweiger Fans geben sich entschlossen Foto: Werner Scholz/dpa

Wer sich 2010 per Onlinenavigation an das ehrwürdige Stadion im Hamburger Volkspark heranzoomte, erlebte Wunderliches: Je nachdem, welcher Vergrößerungsgrad gewählt wurde, war auf der Karte entweder „HSH Nordbank Arena“ oder „Imtech Arena“ zu lesen. In jenem Jahr war mal wieder ein Namenswechsel vollzogen worden und offenbar noch nicht in allen Tiefen der Datenwelt angekommen.

Inzwischen darf die Arena wieder ihren alten Namen „Volksparkstadion“ tragen, aber nur auf Gnade von Investor Klaus-Michael Kühne, der die Namensrechte besitzt und es jederzeit in „Ich bin der mit den Autos und nicht der mit dem Senf“-Stadion umbenennen lassen könnte.

Auf den guten Willen anderer möchten sich die Fans von Eintracht Braunschweig nicht verlassen. Dort hat bislang die Volkswagen Financial Services AG dafür bezahlt, dass am Namen des Eintracht-Sta­dions nicht gerüttelt wird. Das will sie nun aber nicht mehr und die Stadt schreibt die Namensrechte neu aus – müsste sie zwar nicht, aber die Marktgesetze zwingen sie dazu, sagen Stadt und Verein.

Crowdfunding zur Namensrettung

Damit das 100-jährige Jubiläum des Stadions im kommenden Jahr wirklich in Eintracht gefeiert werden kann, hat sich ein Bündnis gebildet, das mit einer Crowdfunding-Aktion 300.000 Euro zur Namensrettung einnehmen will. „Wir, das sind Fans und Sponsoren, Ultras und hauptamtliche Mitarbeiter. Unser Ziel: dass unsere Heimat weiter Eintracht-Stadion heißt. Denn dieser Name gehört zu unserer Identität wie der Standort an der Hamburger Straße“, heißt es im Spendenaufruf.

Die Fans können symbolische Anteilscheine erwerben, die sich in Leistungsumfang und Preis unterscheiden. Für den kleinen Geldbeutel gibt es das 1923er Paket – benannt nach dem Jahr der Einweihung – für 19,23 Euro im Jahr. Die teuerste der fünf Kategorien kostet 6.700 Euro im Jahr.

Dafür gibt es den personalisierten Anteilschein nicht als schnödes PDF zum Ausdrucken, sondern im hochwertigen Eichenrahmen. Plus Foto mit der gesamten Mannschaft, Abendessen mit ein paar Spielern sowie einen Spielball und das Recht zur Logonutzung.

Löwen machen Kehrtwende

Fünfzig Jahre nachdem Eintracht Braunschweig als erster Bundesligaklub mit Trikotwerbung auflief, könnten die „Löwen“ also wieder Marketinggeschichte schreiben. Allerdings in umgekehrter Zielrichtung: Damals machten sie das Hirschgeweih-Logo des örtlichen Kräuterschnapsherstellers sogar zu ihrem Vereinslogo, um das Werbeverbot des DFB zu umgehen. Der DFB als Gralshüter werbefreier Zonen – auch das gab es mal.

Ganz neu ist die Idee eines Crowdfundings für die Stadiontradition nicht. 2017 wollte in Nürnberg eine Bank 800.000 Euro einsammeln, um die dortige Arena, die auch schon mal easycredit-Stadion oder Grundig-Stadion hieß, in Max-Morlock-Stadion umzubenennen. Das Funding-Ziel wurde zwar um mehr als die Hälfte verfehlt, die Bank legte aber auf die von ihrer Seite versprochenen 2,4 Millionen Euro den Fehlbetrag noch drauf.

Falls die Kampagne erfolgreich ist, sind Nachahmungs­effekte nicht ausgeschlossen. Im Bremer Weserstadion würden sich die Fans möglicherweise auch gern wieder auf den Support ihrer Mannschaft konzentrieren, statt vor jedem Spiel aus Protest die Loge des Namensbesitzers Wohninvest mit Transparenten zu ver­hängen.

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