Gegen die Bevormundung des Bürgers: Der letzte Glühbirnenverkäufer

Glühbirnen sollen, wenn es nach der EU geht, bis 2016 gänzlich vom Markt verschwunden sein. Ansichten eines Elektrofachhändlers, der darüber anders denkt.

Finstere Aussichten für Glühlampen. Doch es gibt Widerstand. Bild: fishbone1 - Lizenz: CC-BY

„Dürfen Sie das überhaupt noch?“, fragt ein sichtlich verunsicherter Mann den Verkäufer in Müns-Spezial-Elektrik in Frankfurt, „das ist doch seit einem Jahr verboten, oder?“ Der Verkäufer hinter dem Tresen und vor den hohen Regalen mit Glühbirnenschachteln heißt Stefan Dörr, und er darf was er tut: Er verkauft Glühbirnen. Besonders gerne verkauft er Birnen, die seit zwei Jahren durch EU-Bestimmungen systematisch aus den Regalen verbannt werden und bis 2016 völlig verschwunden sein sollen. Verboten sind sie deshalb noch lange nicht.

In dem Bewusstsein der Menschen ist das aber so drin. Dörr erlebt es oft, dass Kunden denken, sie täten etwas Illegales, wenn sie bei ihm Glühbirnen kaufen. Doch der Ladenverkauf ist weiterhin erlaubt, allein der Vertrieb durch die Hersteller ist in Europa verboten. Schuld an diesem Bewusstsein sind in seinen Augen vor allem die Medien.

Ihn ärgern, die unzähligen Beiträge über Hamsterkäufe und die Lobeshymnen auf Energiesparlampen, die der Suche nach 60-Watt-Glühbirnen einen beinahe kriminellen Beigeschmack geben. Neutrale Berichterstattung gäbe es ohnehin nicht. Selbst den Tests der Verbraucherschutzorganisationen könne man nicht uneingeschränkt trauen.

Will kein Rebell sein: Stefan Dörr in seinem Elektrofachhandel in Frankfurt. Bild: jan schneider

Glühbirne vs. Energiesparlampe

Eine Frau mittleren Alters betritt den kleinen Laden. Interessiert mustert sie die Schaufensterauslage. Neben einigen Angeboten sind dort große Birnen aus Handarbeit ausgestellt die mit der Notiz „Nicht verkäuflich!“ versehen sind. Bei unzähligen Elektrofachmärkten hat sie Glühbirnen für ihre Außenbeleuchtung gesucht, doch keiner konnte ihr weiterhelfen. Behutsam rollt sie die in Zeitungspapier eingewickelte Glühbirne aus und präsentiert sie ihrem Gegenüber. Dörr weiß sofort wo er zu suchen hat und bringt ihr die gewünschten zwei Birnen. Erleichterung auf der einen, Freude und ein wenig Stolz auf der anderen Seite des Tresens. Wenige Minuten später kommt die Frau wieder und kauft noch zwei weitere.

Die klassische Glühbirne mit Wolframfaden (spendet schon seit Ende des 19. Jahrhunderts Licht!) sei keineswegs ein Relikt des Altertums: Dörr kennt viele Gründe, warum er sie jederzeit einer vermeintlich umweltschonenden Energiesparlampe vorzieht. Und man merkt ihm an, dass er gerne darüber spricht.

Gesockelte Energiesparlampen existieren seit etwa 25 Jahren. Schon immer enthalten sie Quecksilber, welches die EU in Thermometern schon lange verboten hat. Bei ihrer Herstellung entsteht ein Vielfaches an CO2. Schon immer kosten sie etwa achtmal so viel wie herkömmliche Glühbirnen bei ähnlicher Lebensdauer und, wie Dörr vermutet, bei ähnlichen Herstellungskosten. Mit knapp 200 Millionen verkauften Exemplaren pro Jahr allein in Deutschland lässt sich mit ihnen jedoch ein Vielfaches an Geld verdienen. Wahrscheinlich ein Grund, warum sich keiner der Hersteller gegen den EU-Beschluss gewehrt hat.

„Ich bin weder Anarchist noch Rebell“

Doch darum gehe es ihm nur am Rande, erklärt er, während er ein paar Kataloge in einer großen Holz-Schublade verstaut. Der Skandal sei die hemmungslose Bevormundung des Bürgers durch die EU. Denn in einem Punkt ist er sich sicher: Bei den Verordnungen gehe es nicht um Umweltschutz. Es würden schlicht die Interessen der Konzerne durchgesetzt. „Wir leben schon lange nicht mehr in einer Demokratie sondern werden mehr und mehr zu einer Marionettengesellschaft der Industrie“. Fast wie in der Augsburger Puppenkiste, fügt er hinzu und lächelt.

Als Freiheitskämpfer sieht er sich trotzdem nicht. „Ich bin weder Anarchist noch Rebell: Ich verkaufe nur Lampen“, Dörr schweigt kurz und blättert durch einen Glühbirnenkatalog: „Aber ich sage meine Meinung.“ Darin sieht er auch den einzigen Ausweg aus der Misere. Die Menschen müssten sich bewusst machen, wie sehr sie in ihren Entscheidungen durch staatliche Vorgaben eingeschränkt werden. Der Fall der Glühbirne ist für Dörr nur ein weiterer Schritt hin zur völligen Kontrolle der Bürger. Die Wahl zu haben, was man kaufen möchte, bedeute eben auch ein Stück Freiheit.

Seit sechs Jahren ist Dörr Besitzer des kleinen Elektrofachhandels unweit der Frankfurter Zeil. Und wenn es nach ihm geht, wird er auch noch eine ganze Weile Glühbirnen mit 60, 75 oder 100 Watt verkaufen.

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