Gegenwehr: 10.000 gegen Pegida

In ganz Norddeutschland gehen tausende Menschen gegen Pegida auf die Straße. In Hannover bekommt die „Hagida“ Unterstützung von einem Pulk Neonazis.

Hatte in Hannover mit mächtig Gegenwehr zu kämpfen: der braune Hagida-Haufen Bild: Jonas Nolden

HANNOVER taz | Mehr als 10.000 Menschen sind in ganz Norddeutschland gegen die rechtspopulistische Pegida-Bewegung auf die Straße gegangen. Unter dem Banner „Wir leben Vielfalt“ demonstrierten allein in Bremen rund 7.000 Menschen am Montagabend für eine tolerante Gesellschaft. Trotz Regenschauern stellten sich in Hannover mindestens 2.000 Gegendemonstranten einer Gruppe von nicht einmal 150 Pegida-Anhängern in den Weg.

Auch in Braunschweig mobilisierte das dortige Bündnis gegen rechts Tausende: Die Organisatoren sprachen von 4.500, die Polizei von 2.500 Menschen, die zum Protest gegen die dortige „Bragida“ gekommen waren. Der Rassismus vieler Anhänger dieser Truppe war schon zuvor auf deren Facebook-Seite nachzulesen: Dort sei etwa der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir vorübergehend nicht nur als „Arschloch“, sondern auch als „bekiffter islamischer grüner Tierficker“ bezeichnet worden, klagt das Bündnis gegen rechts.

Anti-Pegida-Proteste gab es auch in Verden an der Aller und in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin. Trotz Unterstützung durch Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) konnte die dortige Gegendemonstration nicht mehr Menschen mobilisieren als die Rechtspopulisten: Die Polizei zählte auf beiden Seiten etwa 500 Teilnehmer.

In Hannover erhielt der kleine Haufen von nicht einmal 100 Unterstützern der Pegida, die sich in Niedersachsens Landeshauptstadt „Hagida“ nennt, massive Unterstützung von einem Pulk von Neonazis. Szenekenner machten NPD-Kader und Ex-Mitglieder der verbotenen rechtsextremen Kameradschaft „Besseres Hannover“ aus.

Auf elf Seiten breitete der CDU-Ratsherr Kurt Fischer seine rechtspopulistischen Ansichten über Asylpolitik aus. Ein Auszug:

"Warum stellt sich überhaupt die Frage, dass wir in Europa diesen in Not befindlichen Menschen helfen müssen?"

"Ich habe Sorge, dass wir mit den Flüchtlingen Probleme in unser Land holen und letztlich den Menschen auf lange Sicht nicht helfen, weil sie bei uns auch nur bedingt glücklich und zufrieden werden!"

Die meisten Flüchtlinge seien Männer zwischen 18 und 30 Jahren. "Drängt sich da nicht die Frage auf, ob die nicht besser ihr Vaterland und ihre Kultur verteidigen sollten, als das anderen zu überlassen? Wäre es nicht schrecklich, wenn Bundeswehrsoldaten dorthin geschickt würden, um die staatliche Sicherheit aufzubauen und diesen Einsatz mit dem Leben bezahlten?"

Die liefen in Sichtweite des Mahnmals für Hannovers Holocaust-Opfer mit dem Ruf „Hier marschiert der nationale Widerstand“ teilweise vermummt auf den zentralen Opernplatz. Zwar verbat sich der als Redner fungierende ehemalige Polizeibeamte Friedemann Garbs, der für die Wählergemeinschaft „Die Hannoveraner“ in der Regionsversammlung sitzt, das Zeigen des Hitlergrußes. Vom ebenfalls anwesenden Kevin Schumann, Fraktionsmitarbeiter der „Hannoveraner“ und Mitglied der rechtsextremen „German Defense League“, distanzierte Garbs sich dagegen nicht.

Stattdessen erging sich der pensionierte Beamte in Selbstmitleid: Von Hannovers Presse werde er als Rechtspopulist diffamiert. Außerdem werde der aus Dresden bekannte „Hagida“-Forderungskatalog nicht wortgetreu abgedruckt, klagte Garbs – was seine Zuhörer prompt mit den bekannten „Lügenpresse“-Rufen beantworteten.

Ähnlich verwirrt war auch ein die Grenze der Volksverhetzung gerade nicht überschreitender Auftritt des AfD-Gründungsmitglieds Tatjana Festerling. „Die Gesellschaft“ in Deutschland sei „krank“, konstatierte die aus Hamburg stammende AfD-Frau, nachdem sie zuvor über „junge islamische Männer aus Afrika“ lamentiert hatte.

Entsprechend heftig war der Widerstand der Gegendemonstranten: „Nazis raus“ und „Haut ab“ war immer wieder zu hören. Unter massivem Polizeischutz konnte die Pegida-Truppe durch die Stadt marschieren, bevor der braune Haufen am Rand vor dem Platz der Weltausstellung gestoppt wurde. Dort blockierte eine bunte Mischung aus mindestens 2.000 Gegendemonstranten die Straße: Auf dem Platz standen Gewerkschaftsmitglieder der IG Metall, Sozialdemokraten und Besucher des multireligiösen Friedensgebetes, das in Hannovers zentraler Marktkirche stattgefunden hatte.

Getrennt wurden Rechte und Demokraten von einem massiven Polizeiaufgebot: Zwei Reihen Polizeiwagen und Berittene schirmten die Pegida-Truppe ab, die von Antifaschisten mit Pyrotechnik beworfen wurde. Bei anschließenden Rangeleien, besonders im Hauptbahnhof, wurden 22 linksgerichtete Demonstranten vorübergehend festgesetzt. Insgesamt kassierten die Gegendemonstranten 29; die Hagida-Anhänger 22 Strafanzeigen.

Nicht zu sehen war an diesem Montag übrigens der Hannoveraner CDU-Ratsherr Kurt Fischer. Der Christdemokrat, der vor zwei Wochen für den ersten Pegida-Aufmarsch Werbung gemacht und sich auch selbst unter die Rechtspopulisten gemischt hatte, blieb stumm – offenbar fürchtet immerhin Hannovers CDU-Parteiführung die Nähe zum braunen Sumpf.

Dabei hatte Fischer noch Anfang Januar viel Verständnis für Pegida-Anhänger gezeigt: In einem elfseitigen Pamphlet (siehe Kasten) hatte er die Anschläge des 11. September, den Streit um Burka und Kopftuch wie den Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer zu einem unappetitlichen Cocktail zusammengerührt. Die Grünen in Hannovers Stadtrat haben deshalb ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben, so Fraktionsvize Pat Drenske: Das solle klären, „ob das, was Herr Fischer schreibt, mit dem Grundgesetz und der Genfer Menschenrechtskonvention vereinbar ist“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.