Geiseldrama im Irak: Dutzende Tote in Tikrit

Ein Angriff auf den Provinzrat von Tikrit fordert mindestens 56 Tote und fast 100 Verletzte. Die Sicherheitskräfte sind von solchen gut geplanten Operationen überfordert.

Beerdigung eines bei dem Geiseldrama in Tikrit getöteten Journalisten. Bild: reuters

BAGDAD taz | Extremisten haben den bislang schwersten Angriff auf eine Lokalbehörde im Irak verübt. Am Dienstagnachmittag überfielen Bewaffnete den Provinzrat in Tikrit und nahmen die anwesenden Politiker und Angestellten über Stunden hinweg als Geiseln. Der gut vorbereitete Überfall forderte nach Krankenhausangaben mindestens 56 Tote und fast 100 Verletzte.

Ministerpräsident Nuri al-Maliki kündigte am Mittwoch die Bildung einer Sonderkommission zur Untersuchung des Verbrechens an. Am frühen Dienstagnachmittag hatten Extremisten in Armee- und Polizeiuniformen den Sitz des Provinzrats in Tikrit gestürmt. Etwa zur gleichen Zeit zündeten sie vor dem Gebäude eine Autobombe. Dies zielte offenbar darauf, die zur Bewachung des Gebäudes abgestellten Polizisten vom eigentlichen Ziel der Angreifer abzulenken.

Als Sicherheitskräfte zur Verstärkung an den Tatort eilten, eröffneten die mit Maschinengewehren, Handgranaten und Sprengstoffgürteln bewaffneten Extremisten das Feuer. Etlichen Abgeordneten und Angestellten gelang die Flucht durch einen Hintereingang. Doch mindestens 15 Personen brachten die Extremisten in ihre Gewalt.

Nach Angaben eines Sprechers der US-Streitkräfte im Irak erlitten mehrere US-Soldaten, die zur Unterstützung der Iraker anrückten, leichte Verletzungen. Die US-Soldaten seien jedoch wieder abgezogen worden, nachdem die Iraker die Kontrolle übernommen hätten, sagte Oberst Barry Johnson.

Der Überfall in Tikrit zeigt, dass die irakischen Sicherheitskräfte nach wie vor nicht in der Lage sind, generalstabsmäßig geplante Operationen von Extremisten in den Griff zu bekommen. Bei ihrem Angriff auf den Provinzrat gingen die Täter ähnlich wie vor wie die Extremisten bei ihrem Überfall auf eine Kirche in Bagdad im Oktober. Wie damals die Kirche versuchten die Sicherheitskräfte auch, den Provinzrat zu stürmen. Das stundenlange Geiseldrama endete aber erst, als sich die Extremisten in die Luft sprengten. Davor richteten sie laut den Behörden mindestens 15 Geiseln mit Kopfschüssen regelrecht hin, unter ihnen drei Abgeordnete.

Zudem wurden zwei Lokaljournalisten getötet, einer von ihnen war auch für ausländische Medien tätig. Wie viele Angreifer sich an dem Kommando beteiligten, war zunächst unklar. Laut dem örtlichen Krankenhaus wurden sieben getötet, mindestens drei sprengten sich in die Luft. Noch hat sich niemand zu dem Verbrechen bekannt.

In den vergangenen Monaten hat sich die Sicherheitslage in Tikrit, der Heimat des ehemaligen Diktators Saddam Hussein, freilich rapide verschlechtert. Im Januar fielen mehr als 50 Polizeirekruten einem Selbstmordanschlag zum Opfer, ein Angriff auf die wichtigste Ölraffinerie des Landes forderte zwei Tote, und bei einer Revolte in einem Gefängnis, in dem zahlreiche Terrorverdächtige einsitzen, kamen vor 14 Tagen zwei Häftlinge ums Leben. Derweil streiten sich die Regierungsfraktionen von Schiiten, Sunniten und Kurden mehr als ein Jahr nach der Parlamentswahl weiterhin um die Besetzung der Sicherheitsressorts.

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