Geld für Tienanmen-Hinterbliebene: Erstes Angebot nach 22 Jahren

Zum 22. Jahrestag des Tiananmen-Massakers wird der Familie eines Opfers eine Entschädigung offeriert. Dabei ist das politische Klima in China besonders repressiv.

Vor dem Tienanmen-Tor zur Verbotenen Stadt in Peking. Bild: dpa

PEKING taz | Kurz vor dem 22. Jahrestag des Tiananmen-Massakers vom 4. Juni hat die Polizei Oppositionelle unter Hausarrest gestellt, festgenommen, verhört oder verwarnt. Anderen wurde der Kontakt mit der Presse verboten. Nach wochenlangen Demonstrationen auf dem Tiananmen-Platz starben 1989 auf den Straßen Pekings Hunderte Chinesen durch Kugeln des Militärs.

Noch immer ist das blutige Ende der Demokratiebewegung ein Tabu in China. Angehörige der Opfer, "Mütter vom Tiananmen" genannt, fordern seither vergeblich Aufklärung. Sie verlangen, offen um ihre getöteten Kinder und Verwandten trauern zu dürfen. Nur im politisch liberaleren Hongkong dürfen sich die Chinesen in diesen Tagen zu Gedenkfeiern für die Toten versammeln, deren Zahl offiziell nie bekannt gegeben wurde.

Doch nun scheint etwas in Bewegung geraten zu sein. In einem offenen Brief wiesen die "Mütter vom Tiananmen" das Angebot der Behörden an eine Familie der Gruppe zurück, finanzielle Entschädigung zu erhalten. "Der Mann, der das Angebot machte, beschrieb sich als Vertreter der Sicherheitsorgane", berichtete die pensionierte Literaturprofessorin Ding Zilin. "Er fragte: Ihr wollt die Wahrheit? Es ist so viele Jahre her. Damals gab es so viel Aufruhr. Das ist nicht einfach."

Politisches Klima: "das repressivste seit 1989"

Bürgerrechtler werfen den Behörden vor, die Angehörigengruppe mit individuellen Geldangeboten spalten zu wollen. Die Regierung könne mit solchen Methoden nicht "den Forderungen nach Gerechtigkeit ausweichen", erklärte die in den USA ansässige Organisation "Human Rights in China".

Der 22. Jahrestag fällt in eine Zeit starker Verunsicherung in China. Anwälte und Journalisten in Peking bezeichnen das gegenwärtige politische Klima als das "repressivste seit 1989", Wissenschaftler wurden aufgefordert, sich in der Öffentlichkeit nicht kritisch zu äußern. Die Situation hat sich seit den arabischen "Jasmin-Rebellionen" verschärft. Mindestens 48 Personen, darunter Rechtsanwälte und Künstler seien seither festgenommen, einige davon gefoltert oder schwer bedroht worden, berichten Freunde und Verwandte. Zwölf sind spurlos verschwunden.

Streit zwischen Reformern und Hardlinern

Das KP-Zentralorgan Volkszeitung forderte jüngst die über 80 Millionen Parteimitglieder auf, die politische Disziplin "resolut zu verteidigen". Denn: "Feindliche westliche Kräfte versuchen auf allerlei Wegen China ideologisch zu durchdringen." Wer die Parteidisziplin verletze und sich nicht an die Linie halte, müsse mit harten Strafen rechnen.

Der Kommentar spielt auf den Streit zwischen politischen Reformern und Hardlinern an, der derzeit in der KP tobt. Premier Wen Jiabao hatte in den letzten Monaten immer wieder politischen Wandel angemahnt, um die Korruption und soziale Ungleichheit einzuschränken. Doch selbst seine Reden wurden zensiert. Er hatte 1989 auf dem Tiananmen-Platz den darauf geschassten KP-Chef Zhao Ziyang zu einem Treffen mit Demonstranten begleitet.

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