Geldübergabe #BIKEYGEES: „Die Stimmung ist magic“

Wir haben mit dem Sommerabo Spenden für #BIKEYGEES gesammelt: Radfahrtraining für (geflüchtete) Frauen.

Die stellv. taz-Chefredakteurin Katrin Gottschalk, Annette Krüger und Anne Seebach von #BIKEYGEES und Susanne Knechten von der taz-Werbung bei der Geldübergabe am Wassertorplatz (v.l.n.r.) Bild: Wibke Reckzeh

Der Zebrastreifen ist kleiner als normal, ebenso die Verkehrsschilder. Ein bisschen wirkt die Jugendverkehrsschule Wassertorplatz in Berlin-Kreuzberg wie eine Szene im Land Liliput aus Gullivers Reisen. Und doch werden genau hier Frauen, die in ihrem Leben noch kein Fahrradfahren gelernt haben, für den Straßenverkehr fit gemacht. Die Ampeln, die Schilder, der Kreisverkehr – Berlin in Miniatur.

Dass die #BIKEYGEES hier ab August 2016 einmal im Monat trainieren dürfen, haben sie dem Verein KidBike e.V. zu verdanken, der sich um die Kooperation kümmerte.

Anschub von der taz

Im Mai und Juni 2016 gab es in der taz ein besonderes Abo, welches die Sonderseiten zur EM und Olympia abdeckt und gleichzeitig Gutes tut: Von jedem abgeschlossenen Sommerabo gehen 4,00 Euro von 24,00 Euro Abopreis als Spende an die #BIKEYGEES.

• Ab August 2016 gibt es immer am dritten Sonntag im Monat ein Training in der Jugendverkehrsschule Wassertorplatz in Kreuzberg

 

• Bitte vorher über die Homepage bikeygees-berlin.org anmelden

 

• Weiterhin gehen die #BIKEYGEES in verschiedene Notunterkünfte und bringen den Frauen vor Ort Fahrradfahren bei

 

• Spenden in Form von Geld, Zeit oder Fahrrädern sind immer willkommen! Neuerdings gibt es ganz unten auf der Homepage bikeygees-berlin.org einen Spenden-Button

 

• Die #BIKEYGEES auf Facebook

 

• Die #BIKEYGEES auf Twitter

 

• Die #BIKEYGEES auf Instagram

Außerdem berichteten wir Anfang Juni auf taz.de über das Projekt. Annette Krüger hat die #BIKEYGEES gemeinsam mit Anne Seebach gegründet. Für sie war die Unterstützung der taz ein enormer Anschub: „Die ganze Wahrnehmung hat sich verändert, wir sind viel sichtbarer geworden. Der ADFC verweist jetzt an uns, wenn jemand anfragt, wo geflüchtete Frauen Radfahren lernen können.”

Anne Seebach ergänzt ihre Mitstreiterin: „Es war wie ein Schneeballeffekt. Wir bekommen mittlerweile Anfragen von Universitäten für Forschungsprojekte oder Abschlussarbeiten. Auch unsere Klickzahlen gingen rasant in die Höhe.”

Das eine ist die mediale Aufmerksamkeit, das andere blanke Zahlen. Die taz hat von ihrem Sonderabo 2.086 Stück verkauft, an die #BIKEYGEES gehen also 8.344,00 Euro! An diesem heißen Tag im Juli übergibt die stellvertretende taz-Chefredakteurin Katrin Gottschalk das Geld. Und fragt nach – was passiert damit?

„Endlich ist Planbarkeit gegeben. Unsere Arbeit wird viel effektiver und noch verbindlicher. Momentan arbeiten alle noch ehrenamtlich, doch für gewisse Tätigkeiten möchten wir Menschen gerne entlohnen,” erklärt Annette Krüger. Das Projekt ist auf dem Weg, ein Verein zu werden.

Das symbolische Geldbündel von der taz Bild: Wibke Reckzeh

Für die Zukunft haben die Frauen viele Pläne, wo das Geld investiert werden kann: In eine Haftpflichtversicherung, sollte beim Training mal ein Unfall passieren. In eine Bürokraft, die sich um Sponsoring, Organisation und Anfragen aller Art kümmert. „Wir könnten uns zum Beispiel eine Krankenkasse oder einen Fahrradladen als Unterstützer vorstellen ... Bitte keine Fast Food-Kette oder Zigarettenmarke!”, sagt Annette. Und fügt hinzu: „Wir brauchen unbedingt Laufräder zum Üben. Es gibt Frauen, die sich sehr schwer tun. Für die brauchen wir Erwachsenenroller, Räder mit extrem tiefem Einstieg, Dreiräder ...” Anne Seebach unterbricht sie: „Räder mit ausgebauter Kurbel würden uns schon helfen! Oder ein Lastenrad, mit dem wir die Räder zu den Übungsplätzen transportieren können. Damit das nicht zu anstrengend wird, wären natürlich Klappräder gut.” Eine Frau habe sogar auf einem Kettkar geübt, weil das Fahren auf einem richtigen Fahrrad für sie zu anspruchsvoll war.

Ich kann jetzt Fahrradfahren

Annette zeigt Fotos auf ihrem Smartphone. Eine Frau mit Kopftuch fährt auf einem Rad und lächelt. „Sie ist so stolz, als ob sie auf einer Harley Davidson säße! Auch wenn die Frauen hinterher nicht dranbleiben, weil andere Themen existenzieller drängen – dieses Training zeigt ihnen: Ich kann etwas Neues lernen. Ich kann jetzt Fahrradfahren, das nimmt mir niemand mehr.”

Neben dem neuen, festen Termin in Kreuzberg fahren die beiden Frauen mit ihren Helferinnen nach wie vor wie ein „Wanderzirkus” von Notunterkunft (NUK) zu Notunterkunft. „Früher mussten wir uns reinbetteln, heute stehen die Betreiber Schlange!” Annette Krüger ist stolz auf die Entwicklung. Und es soll unbedingt im selben Tempo weitergehen. Für nächstes Jahr ist geplant, (geflüchtete) Frauen so weit zu schulen, dass sie selbst Trainings geben können. Dafür möchte #BIKEYGEES die Helferinnen dann auch entlohnen und so das gespendete Geld einsetzen. Erste Ansätze gibt es schon: So ist Quoloop aus dem Irak von der Schülerin zur Lehrerin geworden.

Mittlerweile gibt es einen Pool von etwa 150 Helferinnen, die regelmäßig an den Wochenenden mitkommen und wackeligen Anfängerinnen durch Fahrradfahren Freiheit und Unabhängigkeit beibringen. Über 200 (geflüchtete) Frauen wurden bereits geschult und mehr als 30 Fahrradsets vermittelt (Fahrrad, Weste, Helm, Schloss). Dass sich das Angebot nicht generell nur an Geflüchtete richtet, ist Annette Krüger wichtig: „Jede Frau darf bei uns mitmachen. Der Status, die politische Richtung, die Religion – Das alles ist uns egal. Das Fahrrad ist das verbindende Element. Die Stimmung in den Trainings ist magic! Wie fürsorglich die Frauen miteinander sind, das ist fantastisch.”

#BIKEYGEES deutschlandweit?

Damit die Neu-Radlerinnen auch wissen, was sie tun, wäre eine verbindliche Prüfung ihrer Verkehrskenntnisse wichtig. Die Unterlagen für einen Fahrradführerschein gibt es jedoch nicht auf Arabisch. Der nächste Arbeitsschritt: EineN ÜbersetzerIn finden. Und so geht es während des Gesprächs immer weiter. Die beiden Frauen sprudeln vor Ideen, doch als reines Ehrenamt ausgeübt setzt die Zeit ihnen manchmal einen Riegel vor. „Ein Traum wäre, das Projekt deutschlandweit zu realisieren. Bisher kennen wir nur Bike Bridge aus Freiburg. Wir wollen aber auch Menschen in anderen Städten motivieren. Es ist so leicht! Schnappt euch drei Fahrräder, fünf Freundinnen und geht in die nächste NUK. Wir würden uns mit unserem Know-How zur Verfügung stellen. Und irgendwann gibt es dann #BIKEYGEES Rostock, #BIKEYGEES Köln und so weiter ...” schwärmt Annette. Mit dem Projekt ist tatsächlich eine direkt sichtbare Verbesserung der Lebenssituation möglich. Viele Hilfsangebote brauchen lange, bis sie Wirkung zeigen – Fahrradfahren lernen kann schon an einem Nachmittag die Lebenswelt eines Mädchens oder einer Frau verändern.

Hilfreiches Bildmaterial zum Weitergeben Bild: #BIKEYGEES

Gleichzeitig gibt sie zu, dass neue Ableger der #BIKEYGEES nicht immer gleich so groß gefahren werden müssten wie die Berliner #BIKEYGEES. „Wir zwei sind halt kleine Ehrgeizmäuse. Wir wollen es richtig gut machen, absolut zuverlässig und mit hohem Commitment mit dem Projekt. Letzten Winter standen wir bei -10 Grad vor der NUK, das darf einen nicht abhalten. Es ist so wichtig, dass die Frauen mal für ein paar Stunden nicht an den nächsten Antrag, an ihr Bleiberecht oder die Verwandten, die noch auf der Flucht sind, denken. Unser Logo ist nicht zufällig Magenta – das ist die Mischung aus einem feministischen Lila und einer rosaroten, also heilen Welt.”

Die taz ist glücklich, mit dem Spendenabo zum Erfolg dieses Projektes beizutragen.

NICOLA SCHWARZMAIER ist verantwortlich für die Verlagsinhalte auf taz.de