Gemeinnützigkeit von Vereinen: Entzug muss warten

Müssen sich Finanzbehörden am Votum des Verfassungsschutzes orientieren, wenn sie über die Gemeinnützigkeit von Vereinen entscheiden sollen? Jein, sagt die Bundesregierung.

Welche Vereine Steuervorteile bekommen oder nicht, soll vielleicht nicht mehr hier entschieden werden. Bild: dpa

FREIBURG taz | Die Bundesregierung sieht keine rechtsstaatlichen Probleme, wenn künftig der Verfassungsschutz über die Gemeinnützigkeit von Organisationen befindet. Schließlich müsse vor dem Entzug der Steuervorteile eine Entscheidung der Verwaltungsgerichte abgewartet werden, heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken. Damit versucht das Finanzministerium die umstrittenen Pläne für das Jahressteuergesetz 2013 zu entschärfen.

In diesem Gesetzentwurf ist eine Regelung enthalten, die viele Organisationen in große Unruhe versetzt hat. Danach sollen Vereinigungen, die in einem Verfassungsschutzbericht als extremistisch aufgelistet sind, automatisch die Gemeinnützigkeit verlieren.

Bisher galt nur eine „widerlegbare“ Vermutung, dass in diesem Fall keine Gemeinnützigkeit vorliegt. Das aber bedeutet: Finanzbehörden oder Finanzgerichte konnten in begründeten Fällen auch von der Einschätzung des Verfassungsschutzes abweichen, künftig soll dies nicht mehr möglich sein (siehe taz vom 22. Mai).

Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort gegenüber der Linksfraktion jetzt aber eine wichtige Einschränkung vorgenommen: Wenn eine Gruppierung vor den Verwaltungsgerichten gegen ihre Einstufung als extremistisch klagt, werden Finanzämter und Finanzgerichte den Ausgang dieser Verfahren „künftig abwarten“. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil, das einige Jahre dauern kann, dürfte also kein – möglicherweise irreparabler – Schaden eintreten.

Im Gesetzentwurf ist eine solche Wartepflicht auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren bisher freilich nicht vorgesehen. Wenn die Regierung das Versprechen ernst meint, müsste sie also den Entwurf des Jahressteuergesetzes entsprechend ändern. Eine Regierungsantwort im Bundestag bindet die Finanzämter nicht.

Außerdem versucht die Regierung, Befürchtungen zu zerstreuen, dass bereits jede Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht zum Entzug der Gemeinnützigkeit führt. Erforderlich sei vielmehr eine „ausdrückliche“ Einstufung als extremistische Organisation, heißt es in der Regierungsantwort. Eine bloß beiläufige Erwähnung genüge ebenso wenig wie eine Auflistung als „Verdachtsfall“. Derzeit enthält der Verfassungsschutzbericht des Bundes 19 Verdachtsfälle, von der extrem rechten Gruppe „Pro NRW“ bis zum „Zentralrat der Ex-Muslime“, der der Arbeiterkommunistischen Partei Iran (API) nahestehen soll.

In solchen Fällen sollen aber die Finanzbehörden selbst ermitteln, ob die Organisation extremistische Ziele verfolgt und deshalb die Gemeinnützigkeit verliert. Das heißt: In diesen Fällen sollen nun die Finanzämter die Arbeit des Verfassungsschutzes zu Ende führen. Und zuständig für die Prüfung wären dann auch wieder die Finanzgerichte, obwohl die Regierung Fragen der Extremismus-Einstufung doch gerade bei den „sachnäheren“ Verwaltungsgerichten konzentrieren will. Die Reform ist offensichtlich noch nicht richtig durchdacht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.