Gentrification-Protest gegen Passivhaus: Ökos im „Luxusbunker“

Zwei Architekten haben in Berlin ein modernes Ökohaus gebaut. Die Heizkosten sind verschwindend gering. Nun haben sie die Gentrifizierungsgegner am Hals.

Manche mögen's bunt: Grafitto in Berlin. Bild: imago/IPON

BERLIN taz | Die Farbe aus den Farbbeuteln wurde mühsam wieder abgekratzt, die eingeschlagenen Glasscheiben ersetzt. Von den Brandspuren am Eingang ist nichts mehr zu sehen. Nur die Weinreben, die Architekt Joerg Springer am ökologisch korrekten Passivhaus in Berlin-Kreuzberg pflanzte, werden immer wieder abgerupft – wenn es dämmert und die Vermummten kommen.

„Ich flitze dann raus und fange eine Debatte an“, erzählt der 53-jährige Architekt mit der trendigen Langhaarfrisur, „ich sage, hey, das sind Weinreben.“ Einer der Typen entgegnete: „Damit wollt ihr nur euren Luxusbunker tarnen.“ Dabei klammern sich nur ein paar mickrige Zweige an das Netzgitter vor dem Neubau mit der großzügigen Glasfassade und der eleganten schwarzen Eingangstür.

Das fünfgeschossige Haus am Engeldamm liefert damit genug Schlüsselreize für manche Aktivisten, um mit Farbbeuteln und Drahtscheren vorzugehen gegen die sogenannte Gentrifizierung im Quartier. „Irgendwie stehe ich für die auf der falschen Seite“, sagt Springer, der sein Büro im Haus hat, aber selbst um die Ecke wohnt. „Dabei leben wir doch auch im Kiez.“

Und das Haus mit 15 Wohnungen ist ökologisch superkorrekt: Man verwendet Grauwasser für die Garten- und WC-Bewässerung. Die Raumluft wird kontrolliert aus- und wieder eingeleitet, so dass die Wärme erhalten bleibt. Die Heizkosten sind verschwindend gering.

Staatliche Zuschüsse gab es nicht

Das Haus gehört der gemeinnützigen Stiftung Edith Maryon, deren Ziel laut ihrer Homepage darin besteht, „Grund und Boden aus dem Waren- und Erbstrom herauszulösen, damit dieser der Spekulation entzogen und somit dauerhaft und immer wieder neu für Vorhaben, die der Gesellschaft dienen, verfügbar wird“.

Die Baukosten von rund 5 Millionen Euro für das Mietshaus müssen allerdings wieder reinkommen, staatliche Zuschüsse gab es nicht. Und so kommt es zwischen Springer und den ungebetenen Besuchern zu denkwürdigen Dialogen. „Die fragen mich, was kostet denn die Miete“, erzählt der Architekt, der auch mal „Bulle“ statt „Polizisten“ sagt und in seinem schwarzen Outfit in jedem Szeneclub am Türsteher vorbeikäme.

„Ich antworte: 9 bis 13 Euro pro Quadratmeter.“ Daraufhin befiehlt der jugendliche Gentrifizierungsgegner: „Du musst für 2 Euro pro Quadratmeter bauen.“ Die Aktivisten mögen es manchmal schlicht.

„Hier wohnen keine Superreichen“

Die Attacken hatten nach dem Einzug der ersten Mieter und zum Ende der Bauphase im vergangenen Herbst einen Höhepunkt erreicht. Die Aktivisten kippten eimerweise rote Farbe gegen die Glasfront. Sie benutzten den Ständer eines Halteverbotsschildes als Rammbock und drückten damit zwei Glasscheiben ein.

Sie warfen einen Brandsatz. Auf dem Onlineportal „Indymedia“ rühmten sie sich des „Angriffs auf einen Luxus-Neubau in Berlin“: „Den reichen BewohnerInnen ist es egal, welche Konsequenzen ihr Protz auf ihr Umfeld hat. Um ihnen ein ’Willkommen‘ zu heißen, (…) haben wir den Eingangsbereich entglast und eine Fassadenseite großflächig mit Farbe verdreckt“.

Dokumentarfilmer Michael T. ist einer der „Luxusbewohner“. „Schwachsinn“, sagt T., der mit Frau und Tochter eine kleine Wohnung im fünften Stock bewohnt und sozialkritische Filme über Südamerika dreht, „hier wohnen keine Superreichen“. In dem Haus leben Anwälte, eine Kunsthistorikerin, ein Reiseveranstalter, darunter Familien und eine Wohngemeinschaft. Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung sind 1.000 Euro kalt fällig (Und was kostet die warm? die e-säzzer), das kann sich ein Paar mit zwei Vollzeiteinkommen schon leisten, ohne gleich zur Oberschicht zu gehören.

Besser Garagenflächen erhalten?

Die Stiftung will nun aufklären. Neben dem Eingang hat man Plakate anbringen lassen. Auf dem einen ist ein trostloses Foto des Grundstücks vor der Bebauung zu sehen, mit ein paar alten Garagen darauf. „Besser Garagenflächen erhalten, als Wohnraum schaffen?“, heißt es provozierend. Das zweite Plakat zeigt ein Foto eines ehemals besetzten Hauses in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain.

Das Haus wurde von der Stiftung gekauft und in ein soziales Projekt verwandelt. „Bitte informieren Sie sich doch auch dort über die Stiftung“, heißt es fast schon demütig. Das erste Plakat wurde umgehend beschmiert mit: „Wir hassen Euch!“ „Wir Euch nicht“, schrieb Michael T. darunter. Man sucht ja den Dialog.

Zwei Aktivisten, die Farbbeutel geworfen hatten, griff die Polizei in der Umgebung auf. Den Beamten waren der eilige Gang und die Farbspritzer auf der Kleidung aufgefallen. „Das waren adrette junge Männer mit Seitenscheitel und Popperlocken“, erzählt Springer, „so Mitte zwanzig, Studenten“. Der eine kam sogar aus Böblingen, stellte der Architekt, selbst gebürtiger Schwabe, fest. Doch nachweisen konnte man den beiden nichts.

Böller auf der Terrasse

Bisher hat die Versicherung den Sachschaden von 75.000 Euro beglichen. Nur bestand sie darauf, neben den Eingängen nur noch kleine Glasscheiben einzusetzen. Das sieht nicht mehr so gut aus, dafür ist der Schaden geringer, wenn mal wieder was kaputtgeschlagen wird. „Man hat schon ein bisschen Angst“, sagt Robert Mieth, der 35-jährige Koarchitekt des Hauses.

Es gebe schon Momente, wo er das Projekt in Frage stelle. Vielleicht hätte man mietenmäßig über eine sozialere Mischung nachdenken können, also höhere Mieten für die meisten Wohnungen zu verlangen und dafür auch ein paar Wohnungen zu billigeren Preisen im Haus anzubieten, überlegt Mieth.

Ein Bewohner ist bereits ausgezogen, nachdem zwei Protestböller auf seiner Terrasse landeten. Doch Springer ist optimistisch: „Das wird sich beruhigen.“ Die neuen Weinreben pflanzt er in große Plastikbeutel und hängt diese hoch oben in das Drahtgeflecht. Da kommt man nicht so leicht ran. Sicher ist sicher.

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