Geplante Wahlrechtsreform: Unschön, aber wohl legal

Die CSU übertreibt mit ihren Vorwürfen gegen die geplante Wahlrechtsreform der Ampel. Eine Debatte über die Nachteile der Pläne aber lohnt.

Stühle im Bundestag

Der Bundestag soll verkleinert werden, nur wie? Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Das gilt auch für die von der Ampelkoalition geplante Verkleinerung des Bundestags. Wenn es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr gibt, könnte es dazu kommen, dass einige Wahlkreise am Ende keinen direkt gewählten Abgeordneten mehr haben. Die CDU/CSU hält das für verfassungswidrig.

Doch vermutlich hat die Union damit unrecht. Das Grundgesetz gibt kein konkretes Wahlsystem vor. Im Grundgesetz steht nicht, dass jeder Wahlkreis am Ende einen eigenen Abgeordneten haben muss. Der Bundestag hat vielmehr relativ große Gestaltungsfreiheit, solange er das gewählte System gerecht ausgestaltet.

Der CSU-Abgeordnete Volker Ulrich sprach vom Bruch mit einer „Wahlrechtstradition“. Da hat er recht. Bisher war es üblich, dass es in jedem Wahlkreis mindestens einen Abgeordneten gibt. Aber Traditionen sind Brauchtum und nicht rechtlich einklagbar, nicht einmal in Bayern.

Die starken Worte aus der CSU – Generalsekretär Martin Huber verstieg sich sogar zum Vorwurf einer „organisierten Wahlfälschung“ – sind wohl vor allem ein Vorgeschmack auf den bayerischen Landtagswahlkampf. Dort mögen Angriffe gegen neumodische Gesetze aus der Berliner Hauptstadt gut ankommen. Für die Akzeptanz der Demokratie sind solche dummdreisten Betrugsunterstellungen allerdings höchst unerfreulich. Wahlkampf auf Trump-Niveau nützt vor allem den Fein­d:in­nen der Demokratie.

Dennoch lohnt sich eine offene Debatte über das Modell der Ampelkoalition. Denn es führt dazu, dass es gerade in besonders umkämpften Wahlkreisen am Ende keinen örtlichen Abgeordneten geben wird, weil der Stimmenanteil der Ge­win­ne­r:in zu niedrig ist.

Wo SPD, Union und Grüne Kopf an Kopf liegen, kann man einen Wahlkreis schon mit 20 bis 25 Prozent der Stimmen gewinnen. Da ist die Legitimation zwar nicht besonders hoch, aber dafür ist der Wahlkampf ums Direktmandat besonders spannend. Dass aber gerade die spannendsten Wahlkämpfe am Ende irrelevant sein sollen, ist auch unschön.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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