Geplantes Einfrieren von EU-Fördergeld: Plötzlich hat es Ungarn eilig

Die ungarische Regierung reagiert ungewöhnlich schnell auf von Brüssel geforderte Gesetzesänderungen. Die EU hat gedroht, Milliarden zu streichen.

Viktor Orban unter einem Regenschirm

Die ungarische Opposition macht Premier Orbán verantwortlich für den möglichen Schaden Foto: Eibner Pressefoto/imago

WIEN taz | Aus Budapest ist Erstaunliches zu hören: Das dortige Parlament will in dieser Woche nicht weniger als 17 Gesetzesänderungen beschließen, die von der Europäischen Kommission gewünscht wurden. Schon letzte Woche wurde die Einrichtung einer neuen Antikorruptionsbehörde beschlossen. So viel Konzilianz ist von Premier Viktor Orbán und dessen mit Zweidrittelmehrheit im Parlament ausgestatteter Partei Fidesz nicht oft zu sehen. Aber es geht um 7,5 Milliarden Euro an Fördermitteln, die Brüssel zurückhalten will.

Vergangenen Donnerstag hatte das EU-Parlament in einem ungewöhnlichen Schritt mit breiter Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der festgestellt wurde, dass Ungarn keine volle Demokratie mehr sei, sondern vielmehr eine „Wahl­autokratie“. Doch Konsequenzen leiten sich daraus zunächst nicht ab. Kommentatoren in Ungarn vermuten, dass damit vielmehr Druck auf die zwischen der Europäischen Kommission und Ungarn geführten Gespräche gemacht werden soll. Ungarn soll nachweisen, dass es EU-Gelder bestimmungsgemäß verwendet.

Die Abgeordneten der Fidesz haben die Resolution scharf zurückgewiesen. Sie beruhe „auf zahlreichen Unwahrheiten“. Sie vermuten eine Strafaktion, weil die nationalkonservative Fidesz im vergangenen April zum vierten Mal in Folge an die Regierung gewählt worden sei. Die staatlich gelenkten Medien stellen den Konflikt als Kampf zwischen Ungarn und der EU dar. „In den freien Medien ist es klar, dass nicht Ungarn, sondern die ungarische Regierung gemeint ist“, sagt István Hegedüs, der Vorsitzende der Ungarischen Europagesellschaft, einer liberalen Nichtregierungsorganisation in Budapest.

Die Opposition macht Orbán und sein illiberales Regime verantwortlich für den wirtschaftlichen Schaden, der aus dem Einfrieren der Gelder erwachsen könnte. „Wenn die Regierung jetzt Zugeständnisse machen muss, ist das schon eine Niederlage für Orban“, meint Hegedüs. Er ist optimistisch, dass die Antikorruptionsbehörde einen Unterschied machen wird: „Es muss garantiert sein, dass sich an den Ausschreibungen nicht nur ein Unternehmen beteiligt, das dann zufällig einem Freund oder Verwandten Orbáns gehört.“

Vom Bankrotteur zum Millardär

Orbáns Jugendfreund Lörinc Mészáros ist so vom bankrotten Gasinstallateur zum Milliardär und reichsten Mann des Landes geworden. Auch Orbáns Vater und Schwiegersohn wurden durch dubios vergebene Staatsaufträge reich.

„Der Markt wird total von einigen großen Unternehmen kontrolliert, die in den letzten Jahren alle Ausschreibungen gewonnen haben“, sagt Hegedüs. Ungarns Regierung bestreitet diesen Vorwurf in ihrer Antwort an die EU-Kommission. Bei EU-finanzierten Projekten gebe es weniger Fälle von nur einem Bewerber als bei nationalen Ausschreibungen. Korruptionsfälle, die von der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF recherchiert wurden, sind dann von Ungarns Staatsanwaltschaft ohne eigene Nachforschungen sehr schnell ad acta gelegt worden.

Der Verantwortliche der Grünen für den Rechtsstaatsmechanismus im Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments, Daniel Freund, ist nicht beeindruckt von Orbáns teilweisem Einlenken: „Was die EU-Kommission hier als Erfolg verkauft, ist bei näherer Betrachtung weniger beeindruckend. Ursula von der Leyen bleibt weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. 80 Prozent der EU-Zahlungen sollen weiter ungehindert nach Ungarn überwiesen werden. 27 Milliarden Euro fließen damit weiter in das korrupte System von Viktor Orbán.“

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