Geplantes Kraftwerk in Liberia: Vattenfall-Rückzug bedroht Bauern

Mit Holz aus Liberia wollte der Energiekonzern seine Klimabilanz verbessern. Doch auch der Ausstieg aus dem Projekt schafft nun Probleme.

In Deutschland ist Vattenfall vor allem für Tagebaue und AKWs bekannt. In Liberia sollte es Kautschuk werden Bild: ap

STOCKHOLM taz | „Cut and run“, abholzen und sich aus dem Staub machen: Das sei das Fazit des vor drei Jahren als zukunftsweisend gerühmten Entwicklungshilfe- und Bioenergieprojekts von Vattenfall, sagt Viveka Risberg von Swedwatch.

Die schwedische NGO, die sich für eine sozial gerechte und ökologisch verträgliche globale Entwicklung engagiert, konstatiert nun in einem Rapport, dass das, was der schwedische Energiekonzern in Liberia hinterlassen habe, gerade solchen Kriterien fundamental widerspreche.

Alte Kautschukbäume im westafrikanischen Liberia abholzen, zu Holzschnitzeln verarbeiten und jährlich Millionen Tonnen davon in europäischen Kraftwerken verfeuern – auch in einem Fernwärmewerk in Berlin: Das war die Geschäftsidee. Aus ökologischer wie sozialer Hinsicht von Anfang an umstritten, wurde sie teilweise auch als klimapolitische Augenwischerei kritisiert. Der weltweite Klimagasanstieg werde nicht verringert, sondern der schwedische Konzern versuche durch den Import von Holz aus Afrika nur, seine eigene CO2-Bilanz durch Einsatz von Holz statt Kohle günstiger aussehen zu lassen.

Das Ganze rechnete sich auch nicht. Nach Verlusten, die Vattenfall selbst auf rund 150 Millionen Euro schätzt, stieg der Konzern vor einem Jahr überstürzt wieder aus dem Projekt aus. Das war damit am Ende.

Bauern im Stich gelassen

Leidtragende sind die liberianischen Bauern, die man einfach im Stich ließ. Die alten Kautschukbäume sind gefällt; neue wurden zwar gepflanzt, aber produktiv werden sie frühestens in sieben Jahren sein. Für die Zwischenversorgung der Bauern will nach der vorzeitigen Beendigung des Projekts niemand mehr zuständig sein.

Vattenfall und die schwedische Entwicklungshilfeorganisation Swedfund schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu und verweisen im Übrigen gemeinsam auf den formalen Mehrheitsaktionär Buchanan Renewables. Doch dabei handelt es sich laut Swedwatch eher um ein Geflecht von Briefkastenfirmen. Das Unternehmen fühlt sich an die bei Projektbeginn gegebenen Versprechungen und Abkommen nicht mehr gebunden – mit der Begründung, dass man selbst keine Einnahmen mehr habe.

Die wegen des radikalen Kahlschlags der Plantagen nun einkommenslosen Bauern müssen versuchen sich anders zu versorgen und können deshalb die arbeits- und kostenintensive Pflege der Neupflanzungen nicht selbst leisten. Die Folge: „Die Kautschukbäume werden nie produzieren und nie Einkommen schaffen können“, befürchtet Swedwatch. Ermittlungen vor Ort in Liberia hätten ergeben, dass die jungen Bäume schon jetzt völlig zugewachsen und überwuchert sind.

Bei seinem Ausstieg 2012 hatte Vattenfall behauptet, man habe ein Übereinkommen mit Buchanan Renewables, diese würden das Projekt weiterführen und auch dafür sorgen, dass es keine negativen Folgen für die Bauern gebe. Nun zeigt man sich offiziell überrascht, dass dies nicht der Fall ist. „Stimmen diese Informationen, ist das bedauerlich“, meint Anders Dahl, Vattenfalls Schweden-Chef.

„Es geht nicht an, dass ein schwedisches Staatsunternehmen die Lokalbevölkerung mit solchen Problemen sitzen lässt und keine Verantwortung übernimmt“, empört sich Gunilla Hallonsten, bei der schwedischen Kirche zuständig für internationale Beziehungen. Als Minderheiten-Gesellschaft habe man keine Management-Kontrolle gehabt, argumentiert Vattenfall.

Das Unternehmen wolle daraus Lehren ziehen und in Zukunft bei solch strategisch wichtigen Projekten nicht einem anderen Partner die Verantwortung überlassen. Man könnte es aber auch anders herum sehen: Die gewählte Konstruktion erwies sich als ideal, um sich im Falle eines Scheiterns des Projekts von jeglicher Verantwortung möglichst freisprechen zu können.

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