piwik no script img

Gerichtsentscheid in GroßbritannienFlüchtlingshotel wird geräumt

Nach wochenlangen Proteste, teilweise von Rechtsextremen angeheizt, entscheidet ein Gericht: Ein von Flüchtlingen bewohntes Hotel in Epping muss geräumt werden.

Ein­wan­de­rungs­geg­ne­r:in­nen versammeln sich am 27. Juli 2025 vor dem Bell Hotel in Epping, Großbritannien Foto: Isabel Infantes/reuters

London taz | Nach wochenlangen Protesten muss das als Flüchtlingsunterkunft genutzte Hotel im Londoner Vorort Epping, wo bis zu 138 Asylbewerber männlichen Geschlechts untergebracht sind, bis zum 12. September geräumt werden. Dies hat am Dienstag ein Gericht per einstweiliger Verfügung angeordnet und damit einer Klage der Gemeinde Epping Forest einstweilen stattgegeben.

Begründet wird das mit Verstößen gegen die Nutzungs- und Lizenzierungsverordnungen. Demnach hatten die Besitzer des Hotels keinen Antrag auf eine grundsätzliche Nutzungsänderung der einstigen Touristenunterkunft auf die Unterbringung von Asylbewerbern eingereicht.

Ak­ti­vis­t:in­nen und Kommunalbehörden, die gegen die Unterbringung von Asylb­wer­be­r:in­nen in über 200 in Großbritannien verstreuten Hotels sind, sehen in der Entscheidung einen signifikanten Sieg und eine Möglichkeit, es Epping landesweit nachzumachen. Dabei könnte es durchaus geschehen, dass die einstweilige Verfügung im weiteren Verfahren wieder rückgängig gemacht wird. Vor drei Jahren wurde in der Grafschaft Yorkshire eine ähnlich begründete Verfügung wieder gekippt, da laut Gericht der Schaden durch den fehlenden Antrag nicht groß genug gewesen sei.

Vor einem Monat hatten in Epping Proteste von Ortsansässigen gegen die Flüchtlingsunterkunft begonnen, teils von rechtsextremen Ak­ti­vis­t:in­nen mitbeeinflusst. Auslöser war, dass ein über den Ärmelkanal geflüchteter 41 Jahre alter Äthiopier, der in dem Hotel untergebracht war, unter anderem der sexuellen Misshandlung eines 14-jährigen britischen Mädchens angeklagt wurde.

Unterbringung der vielen Bootsflüchtlinge könnte schwerer werden

Rechte Politiker und rechtsextreme Aktivisten wollten in dem Vorfall keinen Einzelfall sehen, sondern übertrugen die Tat auf sämtliche Asylbewerber und gaben an, dass britische Frauen, Kinder und Kommunen durch diese in Hotels untergebrachten fremden Unbekannten bedroht seien. So kam es zu Protesten auch in Canary Wharf und Islington in London, dazu in Städten wie Norwich, Portsmouth und Newcastle.

Die benachbarte konservative Kreisbehörde Broxbourne kündigte gleich am Dienstag an, dass sie es Epping gleichtun möchte. Die rechte Partei Reform UK, die bei den Kommunalwahlen im Mai große Erfolge erzielte, will ebenfalls rechtliche Schritte unternehmen. Epping habe sich tapfer gegen die linke Verschwörung gewehrt und repräsentiere die Mehrheit anständiger Briten, sagte Parteichef Nigel Farage im Tonfall Donald Trumps.

Das könnte die Unterbringung der vielen Bootsflüchtlinge in Großbritannien erschweren. Seit dem Amtsantritt der Labour-Regierung von Premierminister Keir Starmer im Juli 2024 sind über 50.000 Menschen über den Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien geflüchtet, über 30.000 davon allein dieses Jahr, deutlich mehr als früher. Im März 2025 waren 32.345 davon auf Staatskosten in Hotelzimmern untergebracht – umgerechnet knapp 2,5 Milliarden Euro pro Jahr kostet das. Eigentlich will die Labour-Regierung die Anmietung von Hotels für Flüchtlinge bis 2029 einstellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare