Gerichtsurteil in Lüneburg: Robby darf im Zirkus bleiben

Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg darf der Zirkus-Schimpanse Robby seinen Lebensabend bei der Zirkusfamilie Köhler verbringen.

Der Schimpanse Robby

Hat sich von seinen Artgenossen entfremdet: der Schimpanse Robby Foto: dpa

HAMBURG taz | Seit über 40 Jahren lebt der Schimpanse Robby schon bei Familie Köhler im Zirkus „Belly“. Die Zirkusfamilie hat den Menschenaffen als Flaschenbaby aufgezogen, weil er von seiner Mutter nicht angenommen wurde, und im Zirkus als Attraktion auftreten lassen. In der Manege lief er auf Stelzen und warf mit Bällen. Doch das macht der Menschenaffe nun nicht mehr – er ist jetzt in Rente. Wie das Oberverwaltungsgericht Lüneburg am Donnerstag entschieden hat, darf er seinen Lebensabend bei Familie Köhler im Zirkus verbringen.

Der Entscheidung ging ein langjähriger Rechtsstreit mit Hoffen und Bangen für die Familie voraus. 2015 hatte das Veterinäramt Celle die Ausnahmegenehmigung für Robbys Unterbringung im Zirkus nicht mehr verlängert. Seitdem wehrte sich Familie Köhler vor Gericht – auch gegen die Behauptung, nur Profit aus dem Primaten schlagen zu wollen. Die Tierrechtsorganisation Peta hatte das in ihren Kampagnen unterstellt und mit Videos plausibilisiert, in denen der Schimpanse in einem Anzug in der Manege auftrat.

Für Familie Köhler ist das Normalität. Die sechs Menschenkinder des Direktors sind mit Robby aufgewachsen. „Er ist ein Familienmitglied“, sagt der 70-Jährige. Für Klaus Köhler ist es deshalb nur folgerichtig, dass Robby als Rentner seinen Lebensabend auch bei seiner Familie verbringen kann. Probleme bei den Haltungsbedingungen sieht der Zirkusdirektor nicht.

Der geschätzt 47 Jahre alte Primat lebt wie die Familie auf Wanderschaft und verfügt über mehr als 50 Quadratmeter. „Wir beschäftigen uns mehr als die vom Veterinäramt geforderten vier Stunden mit Robby“, versichert Klaus Köhler. „Selbstverständlich unterhalten wir ihn intensiv – auch nach seiner aktiven Zeit als Zirkusaffe.“ Die Zirkusrichtlinie der Bundesregierung fordert jedoch, Menschenaffen nicht mehr in Zirkussen zuzulassen.

Von den Artgenossen entfremdet

Doch aus Sicht der Tierärztin Alexandra Dörnath hat Robby schon zu lange unter Menschen gelebt, um mit anderen Schimpansen resozialisiert zu werden. Robby sei fehlgeprägt – er kenne seine Artgenossen nicht und habe die Mimik und Gestik der Menschen übernommen. „Sollte Robby in eine Auffangstation mit anderen Schimpansen gebracht werden, ist das sein Todesurteil“, stellt die Tierärztin klar.

Doch für Tierrechtler und Primatenforscher ist das Urteil des Oberverwaltungsgericht kein gutes. Colin Goldner, ein Psychologe und Autor einer Studie, die sich mit Menschenaffen in Gefangenschaft befasst, ist gegen den weiteren Aufenthalt von Robby in der Familie Köhler: „Es kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die Haltung und Zurschaustellung von Schimpansen in Zoos oder Zirkussen die Tiere psychisch krank macht“, sagt er. Ein Verbleib im Zirkus sei insbesondere dann unzumutbar für den Menschenaffen – und überdies tierschutzgesetzwidrig –, wenn er weiterhin ein Leben lang ohne Sozialkontakt zu seinesgleichen gehalten werde.

Auffangstation für Menschenaffen

Goldner ist der Leiter der deutschen Sektion des internationalen Great Ape Project, das Grundrechte für Menschenaffen fordert. Er hatte dafür plädiert, Robby umgehend in das Primaten-Refugium „Stichting AAP“ zu bringen, wo er die Chance gehabt hätte, seine verbleibenden Lebensjahre unter seinesgleichen zu verbringen. Die Auffangstation für Menschenaffen in den Niederlanden ist Goldner zufolge die beste Adresse, zu der Robby gebracht hätte werden könne. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts bedauert Goldner daher sehr.

Für Robby und Familie Köhler kehrt jetzt Ruhe ein. Eine Revision lässt das Gericht in Lüneburg nicht zu. Robby darf bleiben, endgültig.

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