Gerügte Justiz: Irgendwie „verrückt“ eben

Im Falle einer in der Forensik eingesperrten Stalkerin macht das Bundes-verfassungsgericht der Bremer Justiz allerlei Vorwürfe. Das bleibt erst mal folgenlos.

VerfassungsrichterInnen

Ist mit den Bremer Gerichten eher unzufrieden: das Bundesverfassungsgericht. Foto: Uli Deck/dpa

BREMEN taz | Das Bundesverfassungsgericht hat die Bremer Justiz scharf kritisiert. Es geht dabei um gleich mehrere Entscheidungen, nach denen eine Patientin in die forensische Psychiatrie des Klinikums Bremen-Ost (KBO) gesperrt wurde. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben, salopp gesagt, schlampig gearbeitet, urteilten die Verfassungsrichter. Es geht dabei um keine Kleinigkeit – sondern um die Freiheit von Meike S. Für sie hat der teilweise Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde indes keine Konsequenzen: Sie bleibt weg gesperrt.

Seit April vergangenen Jahres ist sie „vorläufig“ in der Forensik des KBO untergebracht. Meike S. ist als Stalkerin ihres früheren Lebensgefährten durch Sachbeschädigungen, Bedrohungen und Beleidigungen aufgefallen. So traktierte sie 2013 seinen Audi A8 mit dem Hammer, gut 50 Dellen waren es am Ende. „Wenn ich dich auf deinem Motorrad sehe, stecke ich einen Stock in die Speichen“, soll sie ihrem Ex auf die Mailbox gesprochen haben, und dass sie sein „Haus in Brand setzen“, die Familie seiner Schwester „aufschlitzen“ werde.

Wahr gemacht hat sie all das nie. Aber: Eine Brandstiftung sei „nicht auszuschließen“, schreibt eine Psychiaterin in einem Gutachten über Frau S. Daraufhin wird sie in die Forensik eingewiesen. Dabei darf die Freiheit einer Person „nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden“, schreiben die Verfassungsrichter.

Gefährdungslage ist unklar

In Bremen nahmen die zuständigen Richter es damit nicht so genau. Es fehle an der „gebotenen Begründungstiefe“, steht in dem Urteil aus Karlsruhe, und sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht hätten „wesentliche Umstände gänzlich außer Betracht gelassen“.

Ob von Meike S. überhaupt eine Fremdgefährdung ausging? Unklar, finden die Verfassungsrichter nach Lektüre der Bremer Urteile. Als sie in die Forensik kam, habe sie schon acht Monate lang keine Straftat begangen – obwohl sie nach Meinung der Fachleute wahlweise an einer manischen Episode mit psychotischen Symptomen oder an einer paranoiden Schizophrenie litt.

Wieder andere halten eine borderline-nahe Persönlichkeitsstörung für „wahrscheinlich“. Die zuständige Chefärztin am KBO, so erzählt es Sven Sommerfeldt, der Anwalt von Meike S., habe schlicht gesagt, die Frau sei „verrückt“.

Allein: Das ist zwar behandlungsbedürftig, reicht aber nicht, um sie in der forensischen Psychiatrie einzusperren. Dafür müssten gleich zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Betroffene muss zumindest „vermindert schuldfähig“ sein. Und es müssen von ihr „erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten“ sein, deretwegen sie „für die Allgemeinheit gefährlich“ ist. In den Urteilen aus Bremen fehlt es aber „an der Begründung einer hinreichend konkreten Gefahr solcher Taten“. Die Gutachterin des Landes- und Oberlandesgerichts wollte sie lediglich „nicht ausschließen“, und die Drohungen, auf der diese Einschätzung basiert, fielen 2014.

Kritik bleibt vorerst folgenlos

Den Bremer Gerichten reichte das völlig aus. Dabei hätten sie auch „mildere Mittel“ prüfen müssen, sagen die Verfassungsrichter, also etwa Wohnsitzauflagen. So aber, urteilen die Verfassungsrichter, habe sowohl das Land- als auch das Oberlandesgericht die Frau in ihren Grundrechten verletzt. Die beide angesprochenen Gerichte sahen sich jedoch außerstande, bis Redaktionsschluss Nachfragen zu beantworten.

„Das ist eine Klatsche“ für die Bremer Richter, sagt Sommerfeldt – aber Frau S. hat davon nichts, aus formellen Gründen: Das Urteil gegen sie bleibt zunächst bestehen. Derzeit liegt es zur Revision beim Bundesgerichtshof – und bis dort entschieden wird, können noch Monate vergehen, sagt Sommerfeldt.

Dass man außerhalb Bremens die Rechtslage mitunter anders beurteilt, stellte schon der Generalbundesanwalt klar: „Ein Erfolg wird der Verfassungsbeschwerde nicht zu versagen sein“, schrieb er dem Verfassungsgericht.

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