Geschlechtergerechtigkeit im Alltag: Hälfte-Hälfte ist nicht fair

Alles gleichmäßig aufzuteilen, ist nicht die Lösung. Die Journalistin Caroline Criado-Perez erklärt das gut am Beispiel öffentlicher Toiletten.

die Türen einer Frauen- und Männertoilette, dazwischen steht eine Grünpflanze

Gerechter wäre, es gäbe viel mehr Damen- als Herrentoiletten Foto: Sedatseven/imago

Neulich habe ich gelernt, dass sich die Frage von Geschlechtergerechtigkeit besonders gut am Beispiel von Toiletten erörtern lässt. Sie kennen das Problem: Während Männer mal kurz pinkeln gehen, in der Theaterpause, vor dem Kinofilm, überlegt man als Frau, ob man es schafft, weil die Schlange ziemlich sicher ziemlich lang ist.

In ihrem Buch „Unsichtbare Frauen“ erklärt die britische Journalistin Caroline Criado-Perez, warum das so ist: Weil es in Herrentoiletten auch Urinale gibt, können sie pro Quadratmeter von mehr Personen gleichzeitig benutzt werden. Dazu kommt, dass Frauen 2,3-mal so lange brauchen für den Klogang wie Männer. Und sie müssen auch noch öfter zur Toilette, weil sie zum Beispiel achtmal häufiger an Blaseninfektionen erkranken, die es nötig machen.

Wenn man das so liest, wäre der logische Schluss zu sagen: Dann müssen Damentoiletten mit deutlich mehr WCs ausgestattet werden als Herrentoiletten (zumindest solange man diese Aufteilung überhaupt beibehält). Tatsächlich ist das aber selten der Fall, in Großbritannien steht sogar in den Abwasservorschriften, dass Damen- und Herrenklos gleich groß sein müssen.

Dinge halb-halb aufteilen heißt noch lange nicht, Dinge gerecht zu verteilen. Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse. Manche Menschen haben einander ähnlichere Bedürfnisse, weil sie alle gerne Fahrrad fahren, Eis essen oder eine Vulva haben. Klar ist aber: Was für eine Gruppe funktioniert, funktioniert für eine andere nicht zwangsläufig.

Ursache ist der Gender-Data-Gap

Deshalb kann es für diskriminierte Gruppen nie nur darum gehen, ihr Stück vom Kuchen abzubekommen. Nicht nur die Toiletten, auch die Temperaturnormen in Büros sind an den Bedürfnissen von Männern ausgerichtet, schreibt Criado-Perez. Genauso wie die Sicherheitsvorrichtungen von Autos, die Dosierung von Medikamenten oder die Maße von Regalen. Die Lösung für eine gerechtere Wirtschaft und Welt ist nicht, Frauen zu gleichen Teilen an Jobs und Führungspositionen zu beteiligen, sondern die Strukturen von Arbeitswelt und Produktion so zu verändern, dass sie sich auch an den Bedürfnissen von Frauen als Mitarbeiterinnen, Kundinnen, Patientinnen und pinkelnden Besucherinnen orientieren.

Für Criado-Perez liegt die Ursache für diese Ungerechtigkeiten im Gender-Data-Gap: Unsere Welt orientiert sich zunehmend an Daten. Diese sind angeblich objektiv – eigentlich vor allem aber männlich. Für Criado-Perez kann die Welt für Frauen nur ein besserer Ort werden, wenn ihre Bedürfnisse besser erforscht und Daten stärker nach Geschlecht analysiert werden, wenn sich also auch diese Lücke langsam schließt. In den Daten für die Entwicklung von Medikamenten und Künstlicher Intelligenz, von Produkten, Arbeitsnormen und Toilettenvorschriften. Damit sich die Welt auch entlang weiblicher Bedürfnisse organisiert – und nicht einfach die männliche Vorstellung halb-halb verteilt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Susan Djahangard arbeitet von Hamburg aus als freie Journalistin. Für die taz schreibt sie vor allem die Kolumne "Sie zahlt" über Feminismus, Geld und Wirtschaft.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.