Gesetz mit Stimmen der AfD?: Streit um Thüringen-CDU geht weiter

Die CDU in Freistaat bleibt dabei: Für Abstandsregeln bei Windrädern will sie mit der AfD paktieren. Rot-Rot-Grün hofft nun auf einen „Windfrieden“

Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt vor einer Wand.

Will bei seinem Antrag bleiben: Mario Voigt, CDU-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag Foto: Michael Reichel/dpa

BERLIN taz | Am Dienstag wird sich zeigen, ob im Freistaat Thüringen ein „Windfrieden“ zwischen rot-rot-grüner Landesregierung und Opposition möglich ist. Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) will sich dafür mit CDU-Fraktionschef Mario Voigt treffen und von einem umstrittenen Gesetzesvorhaben abbringen.

Nach Wunsch der CDU nämlich soll bei Windrädern künftig ein Mindestabstand von 1.000 Metern zu den nächsten Ansiedlungen gelten. Am Freitag will die CDU-Fraktion einen entsprechenden Antrag in den Erfurter Landtag einbringen. Pikant: Weil Rot-Rot-Grün dagegen ist, kann die CDU das Gesetz nur mit Stimmen von FDP und AfD beschließen – beide Fraktionen haben bereits ihre Zustimmung signalisiert. Aus diesem Grund steht die Thüringer CDU seit Tagen in der Kritik.

Wie der Windfrieden konkret aussehen könnte, ist unklar. Siegesmund hatte der CDU vorgeschlagen, die geplante Abstimmung zu verschieben und auf Grundlage der NRW-Sondierungsgespräche zwischen CDU und Grünen den Ausbau der Erneuerbaren in Thüringen zu diskutieren. Allerdings plant die mögliche schwarz-grüne Koalition in Düsseldorf, die Abstandsregeln bei Windrädern in Nordrhein-Westfalen abzuschaffen.

CDU-Fraktionschef Voigt hatte am Sonntag bekräftigt, nicht von seinen Forderungen nach einem Mindestabstand bei Windkraftanlagen in Thüringen abrücken zu wollen. Gegenüber dem MDR verwies Voigt auf die jüngsten Beschlüsse in Sachsen und Brandenburg. Auch dort gilt künftig beim Bau von Windrädern ein Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohngebieten. Dies müsse auch in Thüringen gelten, sagte Voigt. Zu Gesprächen mit der Landesregierung zeigte er sich prinzipiell bereit, forderte aber, dass Rot-Rot-Grün „genauso kompromissfähig“ sein müsse.

Erfurter Klimaziele wackeln

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) warf der Union eine „ideologiegetriebene Blockadepolitik“ vor. „Die Thüringer Wirtschaft will regenerative Energie nutzen“, sagte Ramelow der Deutschen Presseagentur. „Es geht um Versorgungssicherheit.“ Das gelte besonders für die energieintensive Glasindustrie mit ihren rund 7.000 Arbeitsplätzen, bei der angesichts der hohen Preise und der Abhängigkeit von Importen eine Umstellung von Gas auf Strom anstehe.

Hintergrund des Streits ist die Ankündigung der Bundesregierung, künftig zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen vorbehalten zu wollen. In Thüringen liegt der Anteil nach Angaben der Landesregierung lediglich bei 0,4 Prozent. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte Thüringen zuletzt mangelndes Engagement beim Ausbau der Windenergie vorgeworfen. Habeck kritisierte unter anderem, dass der Freistaat aktuell den Bau von Windrädern auf Waldflächen verbiete.

Das Problem für Ramelow und Siegesmund: Sie wissen, dass sie bei der Windkraft im bundesweiten Vergleich „im hinteren Bereich“ liegen und die dafür ausgewiesenen Flächen „weitgehend verbaut“ sind, wie es auf der Website des Umweltministeriums heißt. Für eigene Gesetzesvorhaben hat die Landesregierung jedoch keine Mehrheit im Parlament. Beim beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien ist sie auf Stimmen aus der Opposition angewiesen. Sollten CDU, AfD und FDP nun noch einen Mindestabstand bei Windrädern gesetzlich festschreiben, dürften die Erfurter Klimaziele – Verdreifachung der Windenergie bis 2040 – noch schwerer zu erreichen sein.

Dazu kommt der politische Schaden für den Freistaat. Der Verfassungsschutz stuft die Thüringer AfD um Björn Höcke als „erwiesen rechtsextrem“ ein. Erstmals könnte nun der Landtag in Erfurt ein Gesetz mit Stimmen der AfD beschließen. Mehrere Bun­des­po­li­ti­ke­r:in­nen haben die CDU in den vergangenen Tagen vor einer Kooperation mit der AfD gewarnt und CDU-Parteichef Friedrich Merz zum Handeln aufgefordert.

Merz schweigt

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert etwa sprach von einer „Gesetzesmehrheit von Höckes Gnaden“, die es „niemals geben“ dürfe. Die Politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, erinnerte Merz an sein Versprechen, mit ihm als Parteichef werde es eine Brandmauer zu AfD geben. Bislang hat sich Merz nicht zur Causa geäußert.

Schon einmal haben CDU und AfD in Thüringen gemeinsam gestimmt – als sie im Februar 2020 Thomas Kemmerich von der FDP zum Ministerpräsidenten gewählt und damit heftige Diskussionen innerhalb der CDU ausgelöst haben. Momentan ist nicht auszuschließen, dass es diese Woche zum erneuten Dammbruch kommt.

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