Gesetz zu „Konversionstherapien“: „Homoheilung“ soll verboten werden

Gesundheitsminister Spahn will Umpolungsversuche an Homosexuellen verbieten. Allerdings ist noch völlig unklar, wie das Gesetz aussehen soll.

Jens Spahn läuft vor drei anderen Männern

Martin Burgi, Peer Briken, Jörg Litwinschuh-Barthel und Jens Spahn bei der Vorstellung in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant ein schnelles Verbot sogenannter Konversionstherapien, mit denen Schwule, Lesben und Bisexuelle zu Heterosexuellen „umgepolt“ werden sollen. Dieses Verbot sei aus medizinischer Sicht geboten und verfassungsrechtlich möglich, sagte Spahn am Dienstag in Berlin zum Ergebnis von zwei wissenschaftlichen Gutachten und einer von ihm einberufenen Fachkommission.

„Homosexualität ist keine Krankheit und damit auch nicht behandlungsbedürftig. Die fälschlicherweise Therapien genannten Interventionen können gravierende Folgen für den Einzelnen haben und in einer Gesellschaft ein Klima von Diskriminierung mitbefördern“, so Spahn.

Es brauche ein starkes Signal des Staates, um Homosexuelle vor Diskriminierung, Pathologisierung und Stigmatisierung zu schützen. Der Gesundheitsminister wolle „noch vor der Sommerpause“ mit dem Justizministerium und den Abgeordneten des Bundestags klären, wie ein Verbot rechtlich genau aussehen könne. Ob dieses nur für Minderjährige oder auch für Erwachsene und ob es auch für vermeintlich freiwillige Interventionen gilt, steht demnach genauso wenig fest wie die Höhe der entsprechenden Sanktion.

Gutachten zeigt negative Folgen

Der Sexualwissenschaftler Peer Briken wies in seinem Kurzgutachten auf negative Folgen solcher „Therapien“ hin: Es gebe bei den Betroffenen „deutliche Hinweise auf Depressivität, Angst und Suizidalität“ und auf der gesellschaftlichen Ebene „eine Förderung von Diskriminierung über das Angebot solcher Interventionen“, so Briken bei der Vorstellung.

Auf diesen medizinischen Erkenntnissen aufbauend sei ein Verbot „verfassungsrechtlich grundsätzlich möglich“, so der Rechtswissenschaftler und Autor des zweiten Gutachtens, Martin Burgi. Dieses würde sich gegen das Angebot sowie die Durchführung, Vermittlung und Werbung für sogenannte Konversionstherapien richten.

Werde das Verbot mit einem Ordnungswidrigkeitentatbestand verbunden, sei das „vergleichsweise einfacher möglich“, so Burgi weiter. Gehe es um einen Straftatbestand, sei die Rechtfertigung anspruchsvoller: Gegenüber Ärzten, Psychologen, Psychotherapeuten, Heilpraktikern und gewerblichen Anbietern halte er dies jedoch für grundsätzlich möglich, da der Diskriminierungseffekt durch die „gesteigerte Autorität noch mal stärker sei“.

Allerdings gibt es auch Umpolungsversuche, die nicht berufsmäßig und außerhalb von Kassenleistungen angeboten werden. Auf Nachfrage der taz, ob diese Anbieter straffrei bleiben würden, wich Spahn aus: Es sei „eine schwierige Frage“ und „individuell nicht immer leicht zu bestimmen“, wann „aus Seelsorge oder Meinungsäußerung ein Straftatbestand“ werde. Noch stehe nicht fest, „wie wir zu dieser Abgrenzung dann konkret kommen können“.

1.000 Fälle jährlich

Laut Jörg Litwinschuh-Barthel von der Magnus-Hirschfeld-Stiftung sei das Ausmaß der Umpolungsversuche viel größer als bislang angenommen: Man müsse in Deutschland jährlich von 1.000 Fällen ausgehen, vor allem im familiären Umfeld, wenn Eltern selbst versuchen, „ihre Kinder von ihrer sexuellen Orientierung wegzubekommen“; im therapeutischen Umfeld, wenn Therapeuten „eigenmächtig an Menschen herumdoktern“ und im religiös-fundamentalistischen Kontext, „von Gebeten bis hin zum Exorzismus“.

Spahns Fachkommission gehörten unter anderem Experten für Recht, Gesundheit und Sexualforschung an, neben Abgeordneten aller im Bundestag vertretenen Parteien außer der AfD waren auch katholische, evangelische, muslimische und jüdische Vertreter religiöser Organisationen Teil der Kommission. Auf Nachfrage der taz, was diese Personen zu Fachleuten des Themas mache, bezeichnete es der Gesundheitsminister als einen „gesellschaftlichen Gewinn, wenn Vertreter der Religionsgemeinschaften ihre Aspekte und Blickwinkel einbringen.“

Zudem waren mit drei ehemaligen TeilnehmerInnen der Pseudotherapien auch Betroffene Teil des Fachaustauschs. Darunter war Bastian Melcher, der in einer evangelikalen Familie aufwuchs und sich einer „Dämonenaustreibung“ eines Arzts unterziehen musste. Heute lebt er offen schwul. „Ich fordere, dass im Gesetz keine Unterscheidung zwischen Minder- und Volljährigkeit gemacht wird. Das Verbot muss über eine Ordnungswidrigkeit hinausgehen“, sagt er zur taz.

Auch Raphaelle Rousseau wurde von Spahn in die Fachkommission berufen. Eine Psychotherapeutin, die ursprünglich aufgrund von Bindungsängsten aufgesucht worden war, versuchte Rousseau mittels Lichtstrahlen von ihrem Lesbischsein abzubringen. Irgendwann schlug sie sogar Elektroschocks als „Heilungsmethode“ vor. „Mir war damals nicht bewusst, was genau passiert. Wenn es schon damals die jetzige Debatte gegegen hätte, hätte ich mir noch andere Anlaufstellen gesucht“, sagt sie zur taz. „Die Nachwirkungen waren extrem. Obwohl es mir sehr schwerfiel, das alles wieder hochzuholen, war ich froh, dass ich mit meinem Bericht aus erster Hand zum Gesetzesvorhaben beitragen konnte.“

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