Gesetz zur Tarifeinheit: Worauf wartet die Bahn?

Das Gesetz zur Tarifeinheit soll die Macht von kleinen Gewerkschaften verringern. Verzögert die Bahn aus Kalkül den Abschluss?

Das neue Gesetz führt vielleicht zu dem erwarteten Streikverbot für Kleingewerkschaften. Bild: dpa

FREIBURG taz | Am Freitag will der Bundestag das Gesetz über die Tarifeinheit beschließen, das die Macht von Spartengewerkschaften einschränken soll. Das geplante Gesetz will vermeiden, dass in einem Betrieb zwei unterschiedliche Tarifverträge gelten.

Wenn es keine freiwillige Einigung zwischen den Gewerkschaften gibt, dann soll künftig nur der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft wirken, die im Betrieb mehr Mitglieder hat. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass Arbeitsgerichte Streiks von Minderheitsgewerkschaften künftig als unverhältnismäßig verbieten werden – da deren Tarifverträge eh keine Wirkung haben.

Die Politik strebt an, dass das Gesetz am 1. Juli in Kraft tritt. An diesem Freitag wird es der Bundestag beschließen, am 12. Juni wird es der Bundesrat durchwinken. Doch dann muss noch der Bundespräsident unterschreiben. Bei verfassungsrechtlich umstrittenen Gesetzen prüft der Bundespräsident meist einige Wochen. Darauf wird die Bahn, wenn sie vernünftig ist, nicht warten.

Es ist auch keineswegs sicher, dass das Gesetz wirklich zu einem Streikverbot für die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) führen würde. Zwar ist die Eisenbahngewerkschaft EVG mit 200.000 Mitgliedern deutlich größer als die GDL mit ihren 34.000. Laut Gesetz kommt es aber auf die Mitgliederzahl in jedem einzelnen Betrieb an, und die Deutsche Bahn AG besteht aus vielen Betrieben. In manchen könnte die GDL durchaus eine Mehrheit haben. Vielleicht darf sie schon deshalb für einen GDL-Tarifvertrag streiken. Zumindest punktuelle Solidaritätsstreiks in anderen Betrieben dürften dabei erlaubt sein.

Und wo die Mehrheiten knapp oder unübersichtlich sind, ist ein Streik sicher auch nicht unverhältnismäßig. Schließlich kommt es auf die Mitgliederzahl bei Abschluss des Tarifvertrags an, und in der Regel gewinnen Gewerkschaften im Lauf eines Streiks deutlich Mitglieder hinzu. Es ist also noch völlig offen, welche Wirkung das Gesetz zur Tarifeinheit in der Praxis tatsächlich haben wird – ob es wirklich zu dem erwarteten Streikverbot für Kleingewerkschaften führt.

Von den praktischen Folgen hängt es dann auch ab, wie das Gesetz verfassungsrechtlich eingestuft wird. Den Gewerkschaften könnte nichts Besseres passieren, als wenn die Bahn das neue Gesetz nutzt, um bei den Arbeitsgerichten ein Streikverbot gegen die GDL zu beantragen. Denn sollte die Bahn damit durchkommen, könnte die GDL mit einem Eilantrag sofort das Bundesverfassungsgericht mobilisieren und auf ihre Rechte pochen.

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