"Gesichter der Renaissance" in Berlin: Dame mit possierlichem Tier

Da Vincis "Dame mit Hermelin" ist ab Donnerstag mit knapp 170 weiteren Porträts aus dem Italien der Renaissance in Berlin zu sehen. Ihr aller Ziel: Ikonisierung.

Eine kleine Sensation: "Dame mit Hermelin" im Berliner Bode-Musem. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Befürchtung, es kämen zu wenige Besucher, um den teuren Blockbuster finanzieren zu können, ist nicht das Problem der Organisatoren der Ausstellung "Gesichter der Renaissance", die Donnerstag im Bode-Museum in Berlin eröffnet. Im Gegenteil, ihre Sorge sind die zu zahlreichen Besucher. Damit die kostbaren, aus aller Welt herbei geschafften Exponate keinen Schaden erleiden und die Menschen größtmögliches Vergnügen beim Betrachten der "Meisterwerke italienischer Portrait-Kunst" empfinden, dürfen sich also nur 300 Personen gleichzeitig in den elf Ausstellungsräumen aufhalten.

Bleibt nur eine Schwierigkeit: Das zentrale Meisterwerk der Ausstellung, Leonardo da Vincis "Dame mit dem Hermelin" aus der Sammlung Czartoryski in Krakau, ist nur bis zum 31. Oktober zu sehen. Danach reist die Dame mit dem possierlichen Tier auf dem Schoß nach London weiter, wo sie im nächsten Blockbuster, "Leonardo da Vinci -­ Painter at The Court of Milan", in der National Gallery glänzen wird. Vorhersehbarerweise werden sich die Kunstliebhaber also bis Ende Oktober massenhaft drängelnd. Danach werden sie Cecilia Gallerani, die schwangere Geliebte des Mailänder Herzogs Ludovico Sforzas, nur noch auf der Plastiktüte des Museum nach Hause tragen können.

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Bei der am Mittwoch, vom Metropolitan Museum of Art in New York und den Staatlichen Museen zu Berlin veranstalteten Pressekonferenz im Bode Museum, saßen die Leihgeber, Prinz und Prinzessin Czartoryski, in der ersten Reihe - eine wahrhaft noble Geste. Denn der jetzige Besuch ist nicht der erste Aufenthalt der Dame in Berlin. Sie kennt das Museum schon, freilich aus einer Zeit als es noch Kaiser-Friedrich-Museum hieß und Polen von den Deutschen überfallen und geplündert worden war.

Hans Frank, Leiter des Generalgouvernements, hatte sie sich zusammen mit einem Jünglingsportrait von Raffael und einer Rembrandt-Landschaft unter den Nagel gerissen. Danach machte Göring seinen Anspruch auf die Altmeister geltend. Am Ende obsiegte Frank, den die drei Gemälde auf seiner Flucht nach Oberbayern begleiteten. Als die Amerikaner ihn im Mai 1945 am Schliersee fassten, hingen der da Vinci und der Rembrandt an der Wand seines "Haus Bergfrieden". Beide Bilder kehrten nach Krakau zurück. Das Raffaelgemälde ist bis heute verschollen.

"Die Dame mit dem Hermelin" allerdings beschweigt diese, ihre turbulente Berliner Vergangenheit, und blickt, fast möchte man sagen, neugierig nach vorn. Sie will eben nur ein, wenn auch herausragendes Exponat sein, innerhalb der knapp 170 Portraits aus dem Italien der Renaissance, die ganz unterschiedliche Medien wie Malerei, Skulptur, Zeichnung und vor allem Münzen und Medaillen umfassen.

Tugendhaftigkeit, die auf Formeln rekurriert

Leitend bei der Auswahl der Ausstellungsstücke war die Idee, die vorherrschenden Konventionen und entscheidenden Neuerungen in der Zeit zwischen 1420 und 1500 herauszustellen. Ausgangspunkt bildet Florenz, wo das autonome Portrait erstmals breit in Erscheinung tritt. Weitere Zentren des Portraits sind dann die italienischen Höfe von Ferrara, Mantua, Bologna, Mailand, Urbino, Neapel und das vom Papst beherrschte Rom. In Venedig schließlich bildete sich erst spät im 15. Jahrhundert eine Portraittradtion aus, vorrangig im Medium der Malerei. Antonella da Messina und Giovanni Bellini lösten sich dort von der in Italien stark verbreiteten Profildarstellung und drehten ihre Modelle in die Dreiviertelansicht wie am Ende der Ausstellung zu erkennen ist.

Das profane – gleichwohl nur wenigen Vornehmen sowie militärisch oder wissenschaftlich herausragenden Personen vorbehaltene – Portrait, das im 15. Jahrhundert diesseits und jenseits der Alpen plötzlich wieder in Blüte kam, wurde in Italien zunächst noch stark mit der Aura des religiösen Bildes, etwa den Konventionen des Kopfreliquiars, unterlegt. Ähnlichkeit strebte das Portrait also nicht so sehr mit dem Modell selbst an, als vielmehr mit dem eingeübten Modell der Darstellung. Ikonisierung, nicht Psychologisierung der dargestellten Person, ist das erwünschte Ziel.

Deutlich wird dies besonders bei der Darstellung weiblicher Schönheit, mithin Tugendhaftigkeit, die auf Formeln rekurriert, die sich von der Spätantike bis ins Mittelalter hinein als kanonisch herausbildeten. Die hohe Stirn, die lange Nackenlinie, die geschlossenen Lippen mit dem zaghaften Lächeln, die jugendlichen, ebenmäßigen Züge, all das summiert sich zur einer standardisierten Lieblichkeit, die einem heute, etwa im Fall der Skulptur, die Rückseite der Dame, also ihre kunstvoll geschlungene Frisur, oft aufregender erscheinen lässt, als ihr reizend konventionelles Gesichtchen.

Dass es Leonardo da Vinci nun gelingt einem 17-jährigen Mädchen, das all die geforderten Konventionen, sei es das kleine Lächeln oder die hohe Stirn, auf Trefflichste erfüllt, durch die Drehung seines Kopfes über die Schulter trotzdem einen ganz anderen, nämlich interessierten und damit selbstbestimmten Gesichtsausdruck zu geben, macht die "Dame mit dem Hermelin" tatsächlich zu einer kleinen Sensation.

"Gesichter der Renaissance", bis 20. November, Bode-Museum, Berlin, Katalog (Hirmer Verlag) 29 Euro

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