Gestürzte Statue in Bristol: Black Power ersetzt Sklavenhändler

Die englische Stadt Bristol weiß nicht, was mit dem Colston-Denkmalort passieren soll. Ein Künstler hat jetzt einfach Fakten geschaffen.

Eine Statue zeigt eine junge Frau mit erhobenem Arm

Die neue Statue – wenn sie es denn bleibt Foto: Rebecca Naden/reuters

LONDON taz | Eine junge Frau steht seit Neuestem in Bristol auf dem Sockel, wo einst der Sklavenhändler Edward Colston stand. Auf ihren offenen welligen schulterlangen Haaren trägt sie eine Baskenmütze, über ihrem Sommerkleid eine offene Jeansjacke. Über ihre Taille ist ein Gürtel mit großer Schnalle gebunden. So angezogen hebt sie ihre Rechte mit einem Handschuh zum Black-Power-Symbol – der hochgestreckten Faust.

Diese Darstellung aus Kunstharz und Stahl, sie zeigt die Bristolerin Jen Reid, eine der Beteiligten am Denkmalsturz von Edward Colston vor wenigen Wochen, prangt seit Mittwochfrüh im Zentrum Bristols. Künstler Marc Quinn nennt sie „A Surge of Power (Jen Reid) 2020“. Auf dem Boden stand vor der Statue am Mittwochmorgen auch ein kleines handgeschriebenes Schild mit den Worten „Black Lives Still Matter“.

Eine Genehmigung der Stadt hat Quinn dafür nicht, obwohl er die Statue professionell und mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen aufstellen und befestigen ließ. Die Stadt hat den Entscheidungsprozess über einen möglichen Ersatz für die von Black-Lives-Matter-Protestierenden ins Wasser gekippte Statue Colstons noch gar nicht richtig begonnen. Klar ist: Die aus dem Hafenbecken geborgene Statue soll im Museum landen und ihr Sturz vor Gericht: Nach Beschwerden der britischen Innenministerin Priti Patel, die die Entfernung der Statue als Schande bezeichnet hatte, wurde Anfang des Monats ein 24-jähriger Mann unter dem Verdacht der Sachbeschädigung festgenommen und auf Bewährung freigelassen.

Für den Ersatz gibt es Vorschläge des aus Bristol stammenden Graffiti-Künstlers Banksy sowie die Idee, hier den Schwarzen Paul Stephenson zu ehren, der 1963 einen Boykott gegen Bristols Verkehrsbetriebe anführte, als die sich weigerten, „Farbige“ einzustellen. Nach 60 Tagen intensiver Kampagne hatte das Unternehmen am Tag von Martin Luther Kings „I have a Dream“-Rede klein beigegeben.

Von Instagram auf den Sockel

Auf die Idee mit dem Reid-Denkmal kam Quinn, als er auf dem Instagramkonto von Reids Ehemann ein Foto von ihr in der gleichen Pose auf der Säulenplatte sah. Reid und ihr Mann hatten sich am Tag des Denkmalsturzes am Black-Lives-Matter-Protest in Bristol beteiligt. „Jen hat die Statue geschaffen, ich habe sie lediglich verfestigt, damit es mehr sehen können“, erklärte Quinn der BBC. Reid musste sich hierzu in der gleichen Kleidung, die sie auf dem Foto trug, in Quinns Studio begeben und wurde dort von einem 3D-Laser-Scanner mit 201 Kameras gescannt. Sowohl Reid als auch Quinn verstehen die Aufstellung der Statue als Fortsetzung des Gesprächs zum Thema Black Lives Matter.

Sich selber auf dem Sockel zu sehen, mache ihr Gänsehaut, sagte Reid, als sie am Morgen vor der Statue ihrer selbst stand. „Es geht darum, was es für die Welt, für Bristol und für mich persönlich und meine Familie bedeutet.“ Auf die Frage, ob es ein Problem für Reid darstelle, dass Quinn ein weißer Brite sei, antwortete sie dem Guardian, dass es „keinen Unterschied macht, welche Hautfarbe Verbündete haben“.

Wie lange die Statue dort bleibt, ist unklar. Bristols Schwarzer Bürgermeister Marvin Rees, der die Entfernung Colstons noch als „historische Poesie“ bezeichnet hatte, betonte, dass die Aktion unerlaubt sei und die Entscheidung über die Zukunft dieses Gedenkortes eine Entscheidung aller Bürger*innen Bristols sein müsse.

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