Gesundheit: Keinen Stich für Roma

Den Bezirken fehlt Geld, um Kinder von Migranten ohne Krankenversicherung zu impfen. Auch Prävention ist in Gefahr.

Ohne Krankenversicherung zu teuer: Impfen als Prävention. Bild: AP

Die Berliner Bezirke können die Versorgung neu zugewanderter Kinder mit Impfungen nicht mehr gewährleisten. Das geht aus der Antwort der Senatsgesundheitsverwaltung auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Heiko Thomas hervor.

Ein Großteil vor allem der Zuwanderer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien – viele davon Roma – sei nicht krankenversichert, teilt die Verwaltung mit. Weil die Kinder über keine Impfpässe verfügten, gelten sie hier als nicht geimpft. In der Regel übernehmen in solchen Fällen die Öffentlichen Gesundheitsdienste (ÖGD) der Bezirke Impfungen und die entsprechenden Kosten. Der Anstieg von Zuzügen aus den neuen EU-Staaten führe aber vor allem in der Innenstadt dazu, „dass der Bedarf an Impfungen das vom Bezirk dafür vorgesehene Budget bei Weitem übersteigt“, heißt es in der Antwort. In einigen Bezirken bedeute das, dass nur noch in Ausnahmefällen geimpft werden könne.

1.800 neu zugewanderte Kinder mit Impfbedarf gebe es in Neukölln, sagt der dortige Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU). Nicht alle seien Roma, auch Flüchtlingskinder sind darunter. „Unser Gesundheitsdienst muss derzeit viele wieder wegschicken“, so Liecke. Rund drei Millionen Euro wären seinen Angaben zufolge nötig, um den zusätzlichen Bedarf an Personal und Impfstoffen sowie weiterer Gesundheitsvorsorge wie etwa Früherkennungsuntersuchungen für Kinder zu decken. Der gesamte derzeitige Etat des Bezirks für Angebote des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes, die auch sozialpädagogische Hilfen umfassen, liegt bei 2,8 Millionen Euro.

Viele der Neuzuwanderer hätten schon in den Herkunftsländern nicht über eine Krankenversicherung verfügt, erklärt Anna Schmitt von der Beratungsstelle der Roma-Selbsthilfeorganisation Amaro Drom. Sie seien dort als Tagelöhner oft nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Das führe zu Problemen, hier krankenversichert zu werden: „Weil dafür Nachweise über Vorversicherungszeiten erbracht werden müssen, die sie nicht vorlegen können.“ Dabei sei der Bedarf an Gesundheitsversorgung bei vielen der Neuzuzügler hoch, so Schmitt. Gerade wegen der schlechten Versorgung im Herkunftsland litten sie unter Problemen, etwa infolge unbehandelter Krankheiten oder fehlender Nachsorge nach Unfällen.

Zwar würden auch in Bulgarien und Rumänien Kinder nach der Geburt im Krankenhaus mit Grundimpfungen versehen. Doch fehlten in vielen Fällen die Nachweise darüber – „und auch darüber, ob die Impfungen später fortgesetzt wurden“, weiß Schmitt.

Der Senat sei sich „der Problematik bewusst“ und berate derzeit Lösungswege, heißt es in der Antwort auf die Anfrage des Grünen-Abgeordneten Thomas. Mehrbelastungen der Bezirke würden bei entsprechenden Nachweisen vollständig ausgeglichen. Nur: „Wir können aber aus Kapazitätsgründen nicht jeden Einzelfall erfassen und individuell abrechnen“, sagt Bezirksstadtrat Liecke. Er verhandle derzeit mit der Finanzverwaltung über andere Lösungen, die auch „Bereitschaft signalisiere“, so Liecke. Eins weiß er dennoch schon: Die eigentlich nötigen 3 Millionen Euro „tatsächlich zu bekommen ist unrealistisch“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.