Gewalt im Norden Malis: „Diplomatie hilft uns nicht weiter“

Am kommenden Sonntag soll der neue Präsident Malis gewählt werden. An einen freien und fairen Urnengang glaubt aber niemand mehr.

Ausgebrannte Geschäfte in der Stadt Kidal in Nordmali. Bild: reuters

GAO taz | Haruna Touré sitzt auf einer blauen Matte. Immer wieder spielt er auf seinem Handy herum. Vielleicht schickt ihm jemand neue Nachrichten aus Kidal. Vielleicht ruft sogar jemand an. Noch vor ein paar Tagen war er selbst in der Stadt und sollte eigentlich bald wieder hinfahren.

Haruna Touré hat seine Wählerkarte dort beantragt. „Nächsten Sonntag müsste ich da sein, um einen neuen Präsidenten zu wählen“, sagt er und klingt nicht gerade hoffnungsvoll.

Wählen würde er gerne. Seit knapp eineinhalb Jahren hat das Land nach dem Staatsstreich vom 22. März 2012 keinen demokratisch legitimierten Präsidenten mehr. Im Norden kam ein Jahr Besatzung hinzu, zuerst durch die Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA), anschließend durch verschiedene islamistische Gruppierungen.

LKW-Fahrer beklagen wirtschaftlicher Stillstand und fürchten Banditen

Haruna Touré, Spediteur und Lkw-Fahrer, hat die Nase voll vom wirtschaftlichen Stillstand, den die Krise mit sich gebracht hat. Er zeigt auf die Männer, die um ihn herum sitzen. Sie wollen alle wieder auf der Strecke zwischen Gao und Kidal Waren transportieren. „Viel Schulbildung haben wir zwar nicht“, sagt Touré und lacht. „Aber diese Strecke kennen wir besser als alle anderen.“

Die Straße ist, wie fast alle anderen im Norden Malis auch, schlecht und beliebtes Ziel von Banditen. „Wenn man selbst nicht auch Bandit ist, kommt man dort nicht durch“, sagt ein anderer Mann. Haruna Touré fügt hinzu: „Dort ist niemand, der für Sicherheit sorgt, auf den man sich verlassen kann.“

Tote bei Auseinandersetzungen in Kidal

Besonders zugesetzt hat ihm die Fahrt in der vergangenen Woche. Er und ein paar Kollegen waren am späten Abend in Kidal angekommen. Gegen zwei Uhr morgens wurden sie von bewaffneten Männern überrascht. „Sie haben uns gefragt, ob wir Azawadier oder Malier sind“, erinnert sich Touré, der sich „natürlich“ als Malier bezeichnet. „Danach haben sie uns alles abgenommen. Alle Waren, das Geld, unsere Handys.“ Sie, das waren die Leute der MNLA, die Kidal nach wie vor kontrollieren, als einzige Stadt im Norden.

Doch was viel mehr Sorge macht, das sind die jüngsten Ausschreitungen. In der Nacht zu Freitag wurden vier Menschen umgebracht. Anhänger der MNLA und Zivilisten trafen aufeinander. Die MNLA soll ihnen vorgeworfen haben, die Regierung in Bamako zu unterstützen. Am Samstag wurden außerdem sechs Wahlhelfer entführt. Sie waren, so berichtet Radio France International, auf dem Weg nach Tessalit, um dort die Präsidentschaftswahlen vorzubereiten. Mittlerweile sollen sie befreit und mehr als 20 MNLA-Rebellen verhaftet worden sein.

Die reguläre Armee ist schwach

Es sieht nach einem Punktsieg für die malische Armee aus. Doch die MNLA wird zurückschlagen, befürchtet ein Oberst. Er ist in Gao stationiert, möchte anonym bleiben. Seine Prognose für Kidal fällt nicht gut aus. „Die Gewalt wird noch zunehmen“, befürchtet er. „Jetzt sprechen wir nur über Kidal. Doch wie wird es in Tessalit weitergehen?“

Besonders problematisch ist aus seiner Sicht die schwache Position der malischen Armee. Die ist zwar mittlerweile wieder in Kidal, muss aber vorsichtig sein. „Wenn die Armee tatsächlich aktiv wird, dann wird es heißen: Sie hat das Abkommen von Ouagadougou verletzt.“ Dieser Mitte Juni geschlossene Friedensvertrag machte die Rückkehr der Soldaten erst möglich und soll dafür sorgen, dass auch in Kidal gewählt werden kann. Doch für den Oberst reicht das nicht aus. „Diplomatie hilft uns nicht weiter“, prognostiziert er. Auch mit einem Abkommen würde es immer wieder MNLA-Anhänger geben, die die Separation wollen. Dabei sei Mali „unteilbar“.

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