Gewalt in Burkina Faso: Ermittlungen nach Blutbad

Für eines der größten Massaker in der Geschichte von Burkina Faso ist wohl die paramilitärische Gruppe VDP verantwortlich. UN fordern Aufklärung.

Ein Wandgemälde zeigt Soldaten

Wandgemälde in Ouagadougou, Burkina Faso: Der Staat soll nur noch 60 Prozent der Fläche kontrollieren Foto: ap

COTONOU taz | Rechenschaft und Aufklärung, das fordern die Vereinten Nationen (UN) im Zusammenhang mit dem Blutbad von Karma im Norden von Burkina Faso. Vor einer Woche wurden dort mindestens 150 Zi­vi­lis­t*in­nen ermordet, schätzen die UN – und damit womöglich je­de*r dritte Bewohner*in.

Die mutmaßlichen Tä­te­r*in­nen gehören den Verteidigern des Vaterlandes (VDP) an, einer paramilitärischen Gruppierung. Sie sollen wahllos auf die Bevölkerung geschossen sowie Häuser, Geschäfte und Moscheen geplündert haben. Drei Tage später sprach die Staatsanwaltschaft in der Regionalhauptstadt Ouahigouya von 60 Todesopfern. Untersuchungen seien im Gange.

Das Feuer auf Karma wurde damit begründet, dass sich im Ort angeblich Angehörige der islamistischen Gruppierung zur Unterstützung des Islams und der Muslime (JNIM) – sie steht der Al-Qaida nahe – aufgehalten hätten. Überprüfen lässt sich das nicht, doch so werden VDP-Einsätze oft begründet.

Dass diese völlig außer Kontrolle geraten, ist nicht neu. Ende vergangenen Jahres starben in Nouna in der Provinz Kossi 28 Personen. Auch damals forderte der Hohe Kommissar für Menschenrechte der UN, Volker Türk, eine „schnelle, vollständige, unparteiische und transparente“ Aufklärung.

Lokale Bürgerwehren gibt es seit Jahrzehnten

Milizen gründeten sich vielerorts zunächst, um Viehdiebstahl zu bekämpfen und Kleinkriminelle festzusetzen

In ihrem Jahresbericht für 2021 warf die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch den VDP vor, an zahlreichen schweren Verbrechen beteiligt gewesen zu sein, darunter „willkürliche Inhaftierungen, Folter und rechtswidrige Tötungen von mutmaßlichen bewaffneten Islamisten und Kriminellen“.

Lokale Selbstverteidigungsgruppen und Bürgerwehren gibt es in Westafrika seit Jahrzehnten. Im Oktober 2014 zwangen wochenlange Proteste der Zivilgesellschaft Langzeitherrscher Blaise Compaoré zum Rücktritt. Wenig später gab es erste Anzeichen, dass terroristische Gruppierungen aus dem Nachbarland Mali auch in Burkina Faso aktiv werden. In welche Richtung sich Burkina Faso entwickeln würde, war unklar. Milizen gründeten sich vielerorts zunächst, um Viehdiebstahl zu bekämpfen und Kleinkriminelle – ohne jegliche Legitimierung – festzusetzen. Zunehmend füllten sie ein Vakuum, denn staatliche Strukturen sind in Burkina Faso vielerorts abwesend. Der Staat soll nur noch 60 Prozent der Fläche kontrollieren.

Nach Jahren in der Grauzone verabschiedete das Parlament im Januar 2020 schließlich ein Gesetz zur Gründung der VDP als lokale Kontrollkraft. Nach einer zweiwöchigen Ausbildung werden deren Mitglieder sogar mit Waffen ausgestattet. Nach dem jüngsten Putsch hieß es, dass man 50.000 zusätzliche Personen rekrutieren wolle.

Bei Angriffen durch islamistische Gruppen sind aber auch Mitglieder der VDP ums Leben gekommen. Nach Regierungsangaben sollen alleine Mitte April bei einem Angriff auf ein Militärcamp in Ouahigouya 34 Vaterlandsverteidiger getötet worden sein.

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