Gewalt in Syrien: Netanjahu gießt Öl ins Feuer
Israel will sich mit Rückendeckung für die Drusen einen Verbündeten in Syrien schaffen. Die Geschichte lehrt, dass hier Vorsicht geboten ist.

I sraels Premierminister Benjamin Netanjahu hat Syrien bombardieren lassen und vermarktet Israel als Schutzmacht der dort lebenden Drusen. Die langfristigen Folgen dieser Strategie lassen sich nur schwer abschätzen. Eigentlich geht es Netanjahu darum, den israelischen Einfluss auf syrisches Gebiet auszuweiten. Dort besetzen die israelischen Truppen nicht nur seit 1967 nach internationalem Recht illegal die Golanhöhen und seit dem Sturz des syrischen Diktators Baschar Assads auch eine Pufferzone am Fuße des Gebirges.
Indem Israel nun syrische Truppen angreift, versucht es an seiner Grenze tief in syrisches Gebiet hinein de facto eine entmilitarisierte Zone zu schaffen, in der die syrische Armee nicht operieren kann. Und es versucht sich mit den Drusen einen ihm gewogenen Player innerhalb Syriens aufzubauen. Ein Proxy-Spiel, das Netanjahu vom Iran gelernt hat. Doch können die Drusen für Israel das werden, was die Hisbollah für den Iran ist? Es ist zu früh, um das einzuschätzen und es gibt zu viele Unbekannte.
Die erste ist die Frage, ob de Drusen überhaupt mitspielen. Was den Umgang mit Israel angeht, sind sie gespalten. Viele syrische Drusen sind ausgesprochene Nationalisten. Sie blicken auf eine stolze Geschichte des antikolonialen Kampfes zurück, und der legendären drusischen Aufstände gegen die französischen Kolonialherrn. Doch gleichzeitig betrachten sie als religiöse Minderheit den derzeitigen syrischen Präsidenten Ahmed al-Scharaa und seine dschihadistischen Gefolgsleute mit großem Misstrauen.
Aber das macht sie nicht automatisch zu einem israelischen Bündnispartner. Und sie kennen die Geschichte der einstigen israelischen Besatzung des Südlibanon, als Israel sich dort eine maronitisch-christliche Miliz, die sogenannte Südlibanesische Armee SLA aufbaute. Aber gleichzeitig entstand dort auch die schiitische Hisbollah, die sich den Widerstand gegen die israelische Besatzung auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Dieser zwang die israelische Armee im Jahr 2000 dazu, aus dem Südlibanon abzuziehen.
Der Israel-Palästina-Konflikt wird vor allem in linken Kreisen kontrovers diskutiert. Auch in der taz existieren dazu teils grundverschiedene Positionen. In diesem Schwerpunkt finden Sie alle Kommentare und Debattenbeiträge zum Thema „Nahost“.
Halbwertzeit für Bündnispartner
Die SLA löste sich auf. Israelische Bündnispartner wie die SLA haben in der arabischen Welt eine geringe Halbwertzeit. Das wissen auch die Drusen. Auch in Südwest-Syrien könnte bei dem israelischen Versuch, das Gebiet unter seinen Einfluss zu bekommen, ein neuer Widerstand dagegen entstehen, ähnlich damals der Hisbollah im Libanon. Der könnte sich unter der sunnitisch beduinischen Bevölkerung formieren, die ebenfalls dort lebt oder durch syrisch nationalistische Drusen.
Syrien war über 50 Jahre lang einer der ruhigsten Grenzen Israels. Das könnte sich ändern. Es ist eine Illusion Netanjahus zu glauben, dass Israel den bunten arabischen religiösen und ethnischen Teppich in seiner Nachbarschaft militärisch und mit einer Teile- und Herrsche-Politik nachhaltig kontrollieren und dominieren kann. Aber eines kann er in jedem Fall: Öl in das Feuer des syrischen Chaos gießen.
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