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Gewerkschaft vs. AdidasLieferkettengesetz gilt für Vietnam – und Herzogenaurach

Die Gewerkschaft IGBCE will das Lieferkettengesetz gegen Adidas auspacken. Der Dax-Konzern weist die Vorwürfe zurück.

Adidas Produktion in Vietnam: das Unternehmen maximiert den Gewinn auf dem Rücken der Beschäftigten Foto: Nguyen Huy Kham/reuters

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Leila van Rinsum aus Berlin

taz | Auf ihrem 8. Gewerkschaftskongress diese Woche in Hannover hat die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) dem Textilkonzern Adidas den Arbeitskampf angesagt – und hat dafür ein neues Instrument entdeckt: das Lieferkettengesetz.

Hintergrund ist, dass der Dax-Konzern die Tarifbindung verlassen hat. Dabei geht es um eine Fabrikverkaufsstätte im bayerischen Herzogenaurach. IGBCE will diesen „Schutzschirm“ für die Beschäftigten zurück haben.

„Adidas rühmt sich, ein cooles, verantwortliches Markenunternehmen zu sein. Für den Umgang mit seinen Beschäftigten gilt dies offenbar nicht“, sagte der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis auf dem Kongress. IGBCE sei Mitglied bei der internationalen Gewerkschaft Industriall Global und befasse sich dort intensiv mit den globalen Lieferketten von Adidas. „An vielen Stellen halten sie sich an gar nichts“.

Für den Arbeitskampf in Deutschland wolle die IGBCE nun mit diesem Wissen Druck gegen Adidas aufbauen: „Wir werden alles nutzen: mit den NGOs, die da schon lange dran sind, über Nachhaltigkeits-Ratings vom Kapitalmarkt und die ganze Bandbreite, die das Lieferkettengesetz bietet, um dagegen vorzugehen“, sagte Vassiliadis.

Zum Lieferkettengesetz sagte Vassiliadis: „Wir hatten den Eindruck, es ist für Vietnam gemacht, aber es ist für Herzogenaurach.“

Adidas weist Vorwürfe zurück

Auf Anfrage der taz erklärt Finanzvorstand und Arbeitsdirektor bei Adidas, Harm Ohlmeyer, das Lieferkettengesetz gäbe keine Grundlage, „um Tarifbindung zu erzwingen“. Außerdem seien die Vorwürfe von Vassiliadis haltlos.

„Adidas stellt seit mehr als 25 Jahren mit eigenen Standards faire und sichere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten seiner Lieferkette sicher und überwacht diese auch durch externe, unabhängige Organisationen“, sagt Ohlmeyer.

Gleichzeitig steht Adidas auch immer wieder in der Kritik. Der Dachverband Kritische Aktionäre warf dem Textilkonzern auf dessen Hauptversammlung im Mai strukturelle Arbeitsrechtsverletzungen vor: „Verweigerung von Abfindungen, die Zahlung von Armutslöhnen und die Unterdrückung gewerkschaftlicher Aktivitäten widersprechen fundamental dem Anspruch eines sozialverantwortlichen Unternehmens“. Es ginge nicht um Einzelfälle, betonte Hana Obser von der zivilgesellschaftlichen Organisation.

In Myanmar zahle der adidas-Zulieferer Pou Chen Löhne, „die nicht einmal ein Drittel eines existenzsichernden Einkommens erreichen“. Und gewerkschaftliches Engagement würde unterdrückt.

Mauro Meggiolaro von der italienischen Banca Etica rechnete vor: Eine Näherin, die in Kambodscha für Adidas arbeitet, verdient bei einem 10-Stunden-Tag 160 Euro im Monat. „Das ist ein Stundenlohn von 67 Cent. Der gesetzliche Mindestlohn von 200 Euro im Monat, der in Kambodscha gilt, ist da kaum höher“ – und reiche nicht für ihren Lebensunterhalt.

IGBCE: Adidas verteile nur „Beruhigungspillen“

Zu den in Deutschland tariflich Beschäftigten erklärt Ohlmeyer, Adidas habe „vergangene Woche mitgeteilt, die im Vergleich ohnehin bereits deutlich höheren Gehälter stärker zu erhöhen, als in der aktuellen Tarifrunde vereinbart“.

Lars Ruzic, Pressesprecher der IGBCE, nennt das „Beruhigungspillen“, mit der die Tarifflucht heruntergespielt werden soll. „Der Schritt zeigt nur, dass die Beschäftigten bei der Entwicklung ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen fortan der Willkür ihres Managements ausgesetzt sind. Und die kann schnell in die entgegengesetzte Richtung gehen, wenn sich beispielsweise die Geschäftszahlen verschlechtern“.

Zu Details, wie genau die Gewerkschaft ihre internationalen Netzwerke und das Lieferkettengesetz nutzen wolle, gab Ruzic keine Einblicke.

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2 Kommentare

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  • Warum macht ihr es nicht so wie ich? Ich wusste von vornherein, dass das Lieferkettengesetz zwar ne gute Sache ist und unterstützt gehört, aber der Durchschnittseuropäer nur dann zufrieden kauft, wenn er weiß, dass billige Kinderhände seine billigen Klamotten genäht haben.

    Ich habe daher von vornherein boykottiert. Egal ob mit oder ohne Lieferkettengesetz. Wer wirklich was ändern will, der kauft nicht mehr. Dann geht der Umsatz von den Ausbeutern in die Knie.

    Aber solange es als wichtig gilt, alle sechs Wochen Klamotten einzukaufen, solange werden Menschenrechte mit Schuhen von Adidas getreten.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Leider, leider ist das korrekt. Doch es steht zu befürchten, dass die achtlosen Verbraucher -werbegesteuert- nur ihre eigenen Interessen sehen wollen und sich einen feuchten Kehricht um Fairness kümmern: Man kann ja nicht für "alles" verantwortlich sein und außerdem: was nützt das denn wenn ICH das mache, andere nicht? Man lebt schließlich nur einmal. . .