Gewerkschaften in den USA: Ein Recht auf Mitsprache

Im Bundesstaat Wisconsin kippt ein Bezirksrichter ein Gesetz, mit dem die kollektive Interessenvertretung abgeschafft wurde.

Scott Walkers Gesetz sollte Beamten in Wisconsin mundtot machen.

WASHINGTON taz | Es ist verfassungswidrig, wenn Beschäftigte im öffentlichen Dienst nicht das Recht haben, über ihre Arbeit, ihre Sicherheit am Arbeitsplatz, ihre Löhne und ihre Urlaubs- und Krankenregelungen mitzureden.

Mit dieser Begründung hat der Bezirksrichter Juan Colas im Bundesstaat Wisconsin „Act 10“ gestrichen – das Gesetz, mit dem der republikanische Gouverneur Scott Walker das Recht auf kollektive Interessenvertretung im vergangenen Jahr abgeschafft hat.

„Endlich“, jubelten GegnerInnen des Gesetzes, die nach Bekanntwerden der Gerichtsentscheidung in Dane County umgehend vor den Regierungssitz in Madison zogen. Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die durch „Act 10“ entmündigt worden waren, können mit dem Urteil ihren ersten Erfolg nach Monaten von Niederlagen verbuchen.

Die Beamten-Gewerkschaft AFSCME spricht von einem „atemberaubenden Rüffel für Gouverneur Walker“. Und Phil Neuenfeldt, Chef von AFL-CIO, des Dachverbandes der Gewerkschaften in Wisconsin, sagte am Wochenende: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass Walkers Versuch, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zum Schweigen zu bringen, unmoralisch, ungerecht und ein illegaler Griff nach der Macht ist.“

Republikaner Scott Walker schimpft

Erleichtert reagierte auch Peter Barca, Fraktionschef der demokratischen Opposition in Wisconsin, auf den Gerichtsentscheid: „Das wird helfen, wieder ein Gleichgewicht zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern herzustellen.“ Doch Walker, der mit seinem rabiaten Vorgehen gegen Gewerkschaften zu einem neuen Star in der republikanischen Partei geworden ist, beschimpfte den Richter, der seine „Reform“ gekippt hat, umgehend als „politischen Aktivisten“.

Der Gouverneur kündigte an, das Urteil anzufechten. Walkers Justizminister John Byron Van Hollen, ebenfalls ein Republikaner, erregte sich nach dem Urteil über die „Arroganz der Justiz“ und sagte, er werde „Act 10“ weiterhin anwenden.

Richter Juan Colas, dessen Eltern aus Kolumbien in die USA eingewandert sind, als er fünf war, ist von Walkers demokratischem Amtsvorgänger zum Richter befördert worden. Auf 27 Seiten begründet Richter Colas, dass „Act 10“ das Recht auf freie Rede und Vereinigung verletzt, das sowohl in der Verfassung von Wisconsin als auch in jener der USA garantiert ist.

Walker hatte „Act 10“ Anfang 2011, wenige Tage nach seinem Amtsantritt in Wisconsin, vorgelegt. Das einzige Thema, über das Gewerkschaften im öffentlichen Dienst nach dem Gesetz noch mitreden dürfen, ist die Anpassung der Löhne an die Inflationsrate. In allen anderen Punkten macht das Gesetz die Gewerkschaften mundtot.

Die Proteste haben gewirkt

Die GegnerInnen von „Act 10“ hatten Anfang 2011 wochenlang das Capitol von Madison besetzt. Damit setzten sie ein frühes Startsignal für die „Occupy Wall Street“-Bewegung, die am 17. September 2011 den Zuccotti-Platz in New York besetzte.

In Wisconsin „flohen“ Anfang 2011 die demokratischen Abgeordneten des Bundesstaates kollektiv in den Nachbarbundesstaat Illinois, um eine Abstimmung über das Gesetz zu verhindern. Doch Walker setzte sich durch.

In diesem Jahr sammelten seine GegnerInnen in Wisconsin mehr als 900.000 Unterschriften, um vorgezogene Neuwahlen durchzusetzen und Walker abzuwählen. Doch der Gouverneur setzte sich wieder durch. Er schaffte nicht nur seine Wiederwahl, sondern ging gestärkt aus dem Urnengang hervor.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.