Gewerkschaftliche 1.Mai-Solidarität: Berichte vom griechischen Alltag

Eine Delegation griechischer Gewerkschafter bereist um den 1. Mai herum Deutschland, um für eine Abkehr von der Austeritätspolitik zu werben.

Alltag in Athen. Muss aber nicht so bleiben. Bild: ap

BERLIN taz | Nikos Antoniou, der im Moment mit Gewerkschaftskollegen durch Deutschland reist, hat eine Mission. „Die Regierungen in Deutschland und Griechenland erklärten ihrer Bevölkerung, dass sie gegeneinander konkurrieren müssen“, sagt er. „Wir sagen hingegen zu den Lohnabhängigen in Deutschland: Lasst uns kooperieren gegen die Austeritätspolitik der Troika“.

Antoniou ist aus Griechenland angereist, er ist der Chef der Athener Gewerkschaft Buch und Papier. Es ist ein symbolträchtiger Besuch: Die Delegation aus Griechenland macht Station in Städten wie Berlin, Bremen, Hamburg, Köln oder Salzgitter. Die GewerkschaftsvertreterInnen und ArbeiterInnen wollen aus dem Alltag des krisengebeutelten Landes berichten, um Solidarität werben und Stellung nehmen zu aktueller Politik.

Außerdem nehmen sie an Kundgebungen und Demonstrationen zum 1. Mai teil. Eingeladen hat sie der Arbeitskreis Internationalismus in der IG Metall Berlin und die zivilgesellschaftliche Initiative Real Democracy Now! Berlin/GR. Der Terminkalender der Griechen ist mit Veranstaltungen, Seminaren und Gesprächen vollgepackt.

Die Abkehr von der Austeritätspolitik, die EU-Staaten einen harten Sparkurs vorschreibt, ist nicht nur Antonious' Ziel. Auch der IG-Metall-Arbeitskreis hat sich dies auf die Fahne geschrieben, als er die deutsch-griechische Kooperation vor zwei Jahren anbahnte. Zweimal haben deutsche GewerkschafterInnen Griechenland besucht. Jetzt reist ist zum zweiten Mal eine Delegation aus Griechenland durch Deutschland.

„Den Anstoß für die Initiative gab ein Streik in einem griechischen Stahlwerk, den wir unterstützen wollten“, berichtet AK-Mitglied Andreas Hesse. Der Ausstand wurde längst beendet, aber die Kooperation lief weiter. Allerdings hat sich der Diskurs über Griechenland in Deutschland verändert.

Vom „Pleitegriechen“ zum „sensationelle Comeback“

Im letzten Jahr bestimmten Meldungen von „Pleitegriechen“ die Schlagzeilen. Jene, so die Forderung mancher Journalisten, sollten bitteschön den Euro verlassen. In den letzten Tagen vermeldete die Springerpresse unter der Überschrift „Das sensationelle Comeback der Krisen-Griechen“, das Land habe die Kreditfähigkeit wieder erlangt.

„Dieses Bild hat mit der Wirklichkeit eines Großteils der Menschen in Griechenland nichts zu tun“, betont der Gewerkschafter Antoniou. Er schildert die Situation in Griechenland anders. In einem Land mit 10 Millionen Einwohnern gibt es nach offiziellen Angaben 1,5 Millionen. Nur zehn Prozent von ihnen bekommen ein Jahr lang finanzielle Unterstützung von monatlich 369 Euro, wenn sie älter als 25 Jahre sind.

Etwa 800.000 Menschen arbeiteten unbezahlt im Privatsektor. „Rechte für Arbeiter und Arbeiterinnen gibt es nicht mehr. Und die Löhne gleichen Trinkgelder“, lautet Nikos Antonious Fazit. Seine KollegInnen und er wollen in Deutschland allerdings nicht Almosen sondern politische Solidarität. Tarifverträge seien abgeschafft, sagt Antoniou. „Mit der Troikapolitik wurde unser Land zum Experimentierfeld für Niedriglohn und Entrechtung. Bald können auch Länder wie Deutschland davon betroffen sein.“

Doch nicht nur Krisenmeldungen hatten die GewerkschafterInnen zu vermelden. „Wir kommen aus einem Land der Krise, in der das Bildungs- und Gesundheitssystem zusammengebrochen sind. Aber wir kommen auch aus einem Land des Widerstandes und der solidarischen Projekte“, erklärt Dimitris Koumatsiolis. Er arbeitet in dem besetzten und selbst verwalteten Betrieb VIO.ME in Thessaloniki. Die Beschäftigten haben kürzlich die Produktion ökologischer Reinigungsmittel aufgenommen. Ein europäisches Vertriebsnetz ist in Vorbereitung.

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