Gift für Lehrer: Eine Behörde, die krank macht

Mitarbeiter des Landesinstituts für Schule klagen über toxisch belastete Raumluft. Direktor und Ressort verweisen auf Sanierungen und sehen keinen Handlungsbedarf

Kekulés Traum, Albtraum der LIS-Mitarbeiter: Strukturformel des Benzol Bild: Archiv

Die Luft ist vergiftet, beim Landesinstitut für Schule (LIS) am Findorffer Weidedamm. Nicht nur im übertragenen Sinne, das auch, sondern ganz wörtlich. Das jedenfalls behaupten mehrere langjährige, zum Teil seit Jahren erkrankte MitarbeiterInnen, der Personalrat des LIS und die Gewerkschaft Ver.di. Die Betroffenen klagen über Kopf-, Halsschmerzen und Bronchitis, über kaputte Stimmbänder, chronische Entzündungen oder Erkrankungen der Schleimhäute. Einer sagt, seine Leberwerte würden "jedem Säufer zur Ehre gereichen". Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen, so wenig wie die anderen - aus Furcht vor Repressalien. Die Ursache ihrer Beschwerden sehen sie in der Raumluft des in den Sechzigerjahren erbauten LIS-Gebäudes. Der Direktor des Hauses, Wolff Fleischer-Bickmann, sieht genau da "kein Problem". Nun wird der Streit öffentlich ausgetragen, zudem sind zwei Verfahren beim Arbeitsgericht anhängig.

Die Rede ist vor allem von flüchtigen organischen Kohlenwasserstoffen, zu denen auch das krebserregende Benzol gehört und die durch Kunststoffe, Kleber, Möbel oder Teppiche emittiert werden können, aber auch von Aldehyden sowie Asbest. Einige der etwa 130 Räume wurden kürzlich asbestsaniert, zudem wies ein Gutachten des Technologietransferzentrums in Bremerhaven (TTZ) in mehreren Räumen eine erhöhte Belastung mit dem krebserregenden Formaldehyd nach. "Wir haben das sofort saniert", sagt die Sprecherin des Bildungsressorts. "Wir nehmen solche Beschwerden sehr ernst."

Die Betroffenen sehen das anders. Sie halten das ganze Haus für belastet, nicht nur die zehn kürzlich renovierten Räume. Auch kritisieren sie das rund 80.000 Euro teure Gutachten als "ungenügend". Es wurde in "unüblich geringem Umfang" gemessen, sagt Rechtsanwalt Volkmar Führling und bestimmte Substanzen, bei denen es "kritisch" geworden wäre, seien gar nicht erst untersucht worden. Er beruft sich dabei auch auf kritische Anmerkungen des Bremer Umweltinstitutes zum Gutachten. Der Fachdienst für Arbeitsschutz weist die Kritik jedoch als "Missverständnis" zurück, auch Fleischer-Bickmann sagt, dass "kein Handlungsbedarf" mehr bestehe, weil nun alle Werte "innerhalb der Standards" lägen. Auch der Eigentümer, Immobilien Bremen (IB), sieht das so. Das TTZ wollte angesichts der Prozesse keine Stellungnahme abgeben, zeigte sich aber "sicher", eine "korrekte Analyse" abgeliefert zu haben. Führling fordert ein neues Gutachten, der LIS-Direktor findet das "unnötig", es gebe ja eines, das "einwandfrei" sei.

Insgesamt hat das LIS am Weidedamm 127 MitarbeiterInnen, außerdem gehen dort 500 ReferendarInnen regelmäßig ein und aus. Und während man in der Bildungsbehörde auf die verhältnismäßig geringe Zahl an eingegangenen Beschwerden verweist, gehen die Betroffenen davon aus, dass viel mehr Menschen entsprechende Probleme haben - es aber bislang noch nicht auf die belastete Raumluft im LIS zurückgeführt hätten.

Immer wieder sprechen sie von immensem, auch psychischem Druck, der auf sie ausgeübt werde. Einer der verbeamteten LIS-Mitarbeiter ist seit einem Jahr bei vollen Bezügen freigestellt. Die MitarbeiterInnen werden "aus ihrem Job gedrängt", sagt Ver.di. Zudem werde man von sowohl vom IB als auch dem LIS-Direktor und dem Bildungsressort "immer wieder geblockt", sagt Führling. Acht Dienstaufsichtsbeschwerden wurden geschrieben, dazu zwei Strafanzeigen wegen Körperverletzung gestellt, eine gegen Fleischer-Bickmann. Der findet das "grotesk".

"Niemand hat sich um uns gekümmert", sagt ein Betroffene, menschlich sei man "total unwürdig behandelt" worden. Dennoch wollen die KlägerInnen weiter beim LIS arbeiten - an einem anderen Standort. Dort fürchten sie keine Beschwerden.

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