Giftiges Kinderspielzeug: Die gute Gretel

Da können sich die deutschen Kinder aber freuen: Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CDU) möchte ihr Spielzeug sicherer machen. Zur Not auch im Alleingang.

Beim TÜV Süd wird ein aus China importierter Spielzeughund untersucht. Bild: ap

BERLIN taz | So schnell will wohl niemand mehr der Bösewicht sein. Zumindest dann, wenn es um das Kasperletheater geht. Die Handspielpuppe "Eri Pirat mit Holzbein" und der "Kersa Classic Teufel" nämlich schneiden im Dezemberheft Ökotest nur mit "Ungenügend" ab, während die unschuldige "Trullala Gretel" ein "Sehr gut" bekommt.

Es sieht so aus, als wolle derzeit auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) in Bezug auf Spielzeug das Prädikat der Gretel einheimsen. Sie kündigte nämlich nun, kurz vor Weihnachten und somit dem allgemeinen Geschenkerausch, an, notfalls im Alleingang die deutschen Kunden vor vergiftetem Spielzeug zu schützen. Als Vorprescherin innerhalb der EU. Selbstverständlich nur als "Ultimo Ratio". Ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten habe ergeben, dass zahlreiche Produkte für Kinder nicht geeignet seien.

Eltern mit Kindern in der plastikaffinen Phase zwischen eins und acht wird das freuen. Plötzlich sprechen nicht nur ästhetische Gründe - selbstverständlich aus Erwachsenensicht - gegen die Anschaffung des kleinen Plastikponys mit dem rosafarbenen Schweif, sondern vor allem die Sorge um die Gesundheit. Die Bundesregierung habe schon einige Vorstöße in dieser Richtung unternommen, bislang jedoch ohne Erfolg. Der Verbraucher sei gut beraten, beim Kauf auf das "GS"-Prüfzeichen zu achten. Das ist dann alles, was ihm zur Zeit an die Hand gegeben wird, etwa 100 Jahre nach der Etablierung des Begriffes "Kunststoff". Trotz des EU-weiten Schnellwarnsystems Rapex. Und obwohl es jetzt schon eine Überwachung der Spielzeugsicherheit gibt.

Das Problem liegt nämlich bei den Grenzwerten zu Weichmachern und Schwermetallen, die nach Angaben der Grünen schon im Dezember 2008, als die EU-Richtlinie verabschiedet wurde, nicht dem wissenschaftlichen Stand entsprachen. So stolpern Eltern der Nase nach durch die Geschäfte und folgen damit dem Hinweis, scharf riechenden Kunststoff zu meiden. Kein Wunder also, dass sich vor allem in der Vorweihnachtszeit mit Magazinen, die hier Aufklärung versprechen, Kasse machen lässt. Und auch politisches Kapital.

Ein Problem: Diejenigen mit Interesse an Spielzeugsicherheit wachsen in das Thema herein, aber auch rasch wieder heraus. Während in der einen Lebensphase die Angst vor Plastik dominiert, droht in der nächsten schon, dass die Kinder zu Komasäufern oder Schulversagern mutieren. Neue Ängste überlagern dann die alten, und so werden immer neue Generationen zur Zielgruppe von Infotainment-Sendungen zu diesem Thema. Gelegentlich erwischt es einen bestimmten namhaften Hersteller, wie vor zwei Jahren den Barbie-Produzenten Mattel oder Fisher-Price, die dann öffentlichkeitswirksam zu Kreuze kriechen.

Einen Ausweg gibt es noch für diejenigen, die ohne Angst im Kasperletheater gefährlich wirken möchten: Als einzig düsteres Wesen hat es die Hexen-Handspielpuppe von Käthe Kruse bei Ökotest zu einem "Sehr gut" gebracht. Ob Ilse Aigner aber die sein möchte, kann man bezweifeln.

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