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Gipfel südostasiatischer StaatenZahnlose Tigerstaaten im Schatten der Trump-Show

In Malaysia ringen die Asean-Staaten um eine gemeinsame Linie im Handelsstreit mit den USA. Trumps Besuch umrahmen Proteste und dezente Belustigung.

Pro-palästinensische Demonstranten in Kuala Lumpur, Malaysia Foto: Hasnoor Hussain/reuters

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Leonardo Pape aus Kuala Lumpur

Die malaysische Hauptadtstadt Kuala Lumpur bereitet sich auf eines der größten politischen Ereignisse ihrer Geschichte vor. Schon Tage vor Beginn des Gipfels der bisher zehn südostasiatischen Staaten (Asean) am Sonntag sind große Teile des Stadtzentrums abgesperrt, mehr als 100 Schulen wechseln in den Onlinebetrieb. Tausende Asean-Fahnen säumen die Straßen. Rund 30 Staats- und Regierungschefs werden zum Gipfel erwartet.

Stadtgespräch ist vor allem der Besuch von Donald Trump. Er will auf dem Gipfel seine Verdienste um den Friedensschluss zwischen Thailand und Kambodscha gewürdigt sehen. Am Sonntag will er deshalb der Unterzeichnung eines Friedensvertrags zwischen den Ländern beiwohnen. Ende Juli hatte Trump ihnen hohe Zölle angedroht, sollten sie ihren blutigen Grenzkonflikt nicht beilegen. Ob er damit jedoch das Kalkül der Konfliktparteien wirklich entscheidend beeinflusste, ist unklar.

Auch innenpolitisch sorgt Trumps Besuch für Kontroversen. Im Nahostkonflikt ist der Diskurs in Malaysia entschieden propalästinensisch geprägt, Trump gilt vielen als mutwilliger Unterstützer israelischer Kriegsverbrechen. Die größte Oppositionspartei, die islamistische PAS, und das Bündnis „Anti-Trump-Sekretariat“ hatten schon am Freitag zu Protesten aufgerufen. Mehrere Hundert Menschen demonstrierten, meist mit Palästinaflaggen.

Bei vielen Stadtbewohnern wird Trumps Visite allerdings mehr als Show denn als Skandal wahrgenommen. Wenn der Satz „Trump kommt“ fällt, schwingt neben Gleichgültigkeit oft dezente Belustigung ob des unerwarteten Spektakels mit. „Die meisten Menschen hier sind pragmatisch genug, um zu verstehen, dass man den US-Präsidenten nicht einfach ausladen kann“, sagt auch der Politikanalyst und Unternehmensberater Adib Zalkapli.

Malaysias Rolle in Trumps Gaza-Friedensplan

Zalkapli appelliert, die Gelegenheit des Besuchs zu nutzen, um für Malaysia auf einen Platz am Tisch beim Gaza-Wiederaufbau zu drängen. Zuletzt hatte Indonesiens Präsident Prabowo Subianto bei der Verkündung von Trumps Gaza-Friedensplan angeboten, mindestens 20.000 Soldaten als Friedenstruppen nach Gaza zu schicken.

Tatsächlich scheint Malaysias Premier Anwar Ibrahim gewillt, das Beste aus Trumps Besuch zu machen. Wie kaum ein Asean-Vorsitzender der vergangenen Jahre steht er für die proklamierte Blockfreiheit der Staatengruppe. In Kuala Lumpur werden jetzt auch Brasiliens Präsident Lula und Chinas Premier Li Qiang erwartet. Zeitweise war sogar eine Teilnahme Putins im Gespräch, er wird aber nun durch Vizepremier Alexander Nowak vertreten.

Malaysia war schon nach der Loslösung vom britischen Kolonialreich in den 1960ern einer der Hauptverfechter regionaler Integration und breiter internationaler Partnerschaften. „Im Kalten Krieg haben wir schmerzhaft erfahren, dass man sich nicht auf eine Seite stellen sollte“, sagt Zalkapli.

Der heutige Pragmatismus speist sich zudem aus dem weitgehend friedlichen ethnischen Zusammenleben im eigenen Land. Das vielfältige Stadtbild in Kuala Lumpur prägen neben der muslimischen Mehrheit auch große indisch- und chinesischstämmige Gemeinschaften.

Trump stört Koordinierung in Handelsfragen

Doch trotz aller diplomatischer Offenheit dürften Anwar und andere Asean-Staats- und Regierungschefs sich nicht wirklich über Trumps Besuch freuen. Seine Anwesenheit in Kuala Lumpur dürfte implizit Druck auf sie aufbauen, untereinander keine Maßnahmen im Handelsstreit mit den USA abzustimmen. Die US-Zollankündigungen treffen die exportabhängigen Länder Südostasiens besonders hart. Bislang ringt Asean erfolglos um eine gemeinsame Antwort, vielmehr verhandelt jedes Land für sich.

Mit Blick auf den Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kamboscha will Trump die Lorbeeren von Aseans eigener Vermittlungsarbeit einheimsen. Dies stellt einen der seltenen diplomatischen Erfolge der Staatengruppe im Umgang mit Konflikten zwischen Mitgliedern infrage, die stets nur nach dem Konsensprinzip entscheiden. Den Gebietsstreit im Südchinesischen Meer umschiffte Asean in diesem Jahr dagegen weitgehend; er dürfte nächstes Jahr unter dem Vorsitz der Philippinen einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen.

Asean-Beitritt Osttimors geplant

Die fortwährende Machtlosigkeit Aseans in harten Sicherheitsfragen zeigt sich vor allem im Bürgerkrieg in Myanmar. Asean hat Vertreter der Militärjunta von den meisten seiner Treffen ausgeschlossen. Der Staatenbund zögert aber, mehr Druck auf das Regime aufzubauen. Zum Jahresende will die dortige Junta in den von ihr kontrollierten Landesteilen Wahlen abhalten. Menschenrechtsgruppen und die EU sprechen von Scheinwahlen.

Eine gute Nachricht birgt der Asean-Gipfel indes. Auf dem Programm in Kuala Lumpur steht auch die Aufnahme Osttimors als elftes Mitgliedsland. Das Land mit seinen knapp 1,5 Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen blickt auf Jahrzehnte gewaltvoller Besatzung durch Indonesien zurück. Seit seiner Unabhängigkeit 2002 wirbt Osttimor unermüdlich um die Aufnahme in den Asean-Bund. Jetzt soll es endlich soweit sein.

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