Globale Auswirkungen der Eurokrise: Sparzwang schwächt Süden

Bislang schienen die Schwellenländer immun. Doch jetzt droht den Antreibern der Weltwirtschaft der Schwung auszugehen. Schuld daran ist auch die europäische Sparpolitik.

Den Lokomotiven der Weltwirtschaft geht der Dampf aus: Südkoreas Präsident Lee Myung-bak weiht einen Hochgeschwindigkeitszug ein. Bild: dpa

BERLIN taz | Deutschland scheint bis heute von der Eurokrise kaum betroffen zu sein. Zwar schwächeln die Exporte in die Krisenländer, aber die Ausfuhren in die Schwellenländer machten das mehr als wett. Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass diese Länder ihrerseits nicht länger immun sind gegen die Krise.

So warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) unlängst in seinem World Economic Outlook, die „ohnehin nicht sehr starke weltwirtschaftliche Erholung zeigte in den vergangenen Monaten weitere Anzeichen von Schwäche“. Schuld seien neben der anhaltenden Eurokrise vor allem die sinkenden Wachstumsaussichten in den Entwicklungs- und Schwellenländern.

Das britische Entwicklungsinstitut ODI warnte kürzlich, die Krise verursache in praktisch allen Entwicklungsländern einen starken Rückgang bei Exporten, Investitionen, Rücküberweisungen von Migranten und bei der Entwicklungshilfe. Selbst die aufstrebenden Schwellenländer haben ihre Volkswirtschaften bislang kaum von den Industrieländern abnabeln können und erzielen immer noch einen Großteil ihrer Einnahmen durch Exporte in den Norden.

Und wenn es in Europa kriselt und auch die USA und Japan mit ihren gigantischen Handelsdefiziten sparen müssen, dann leiden darunter zwangsläufig auch die Volkswirtschaften im Süden.

MIST statt BRIC

Investmentberater raten mittlerweile von der Geldanlage in den bis vor kurzem noch gefeierten BRIC-Staaten ab. Hinter dem Kürzel stehen die aufstrebenden Wirtschaftsnationen Brasilien, Russland, Indien und China, die lange überdurchschnittliche Wachstumsraten und Renditechancen versprachen.

Vor allem in diesen Ländern habe sich das Wachstum jedoch spürbar verlangsamt, so der IWF in seinem jüngsten Report. Selbst der Erfinder des Begriffs, der Goldman-Sachs-Chefvolkswirt Jim O’Neill, will von diesen Ländern nichts mehr wissen. Er steht jetzt auf MIST: Mexiko, Indonesien, Südkorea und die Türkei.

Brasilien ist zwar in den vergangenen Jahren zur sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt herangewachsen. Doch der IWF erwartet im laufenden Jahr nur noch ein eher anämisches Wachstum von 2,5 Prozent. Ähnlich wie Russland hat sich das Land allzu einseitig von Rohstoffexporten abhängig gemacht. Die Industrieproduktion hat bereits den Rückwärtsgang eingelegt.

Für Indien prognostiziert der IWF für dieses Jahr ein Wachstum um 6,1 Prozent – nach Raten über 8 Prozent vor zwei Jahren. Der Stromausfall, der Ende Juli große Teile des Landes verdunkelte, war ein Beleg dafür, dass die Infrastruktur mit der Entwicklung nicht mitkommt.

Selbst China entwickelt sich zum Sorgenkind. Im zweiten Quartal 2012 wuchs die Wirtschaft zwar noch um 7,6 Prozent. Doch bei einem Land, das lange mit zweistelligen Wachstumsraten aufwarten konnte, sorgt solch ein Wert für sorgenvolle Enttäuschung. Investoren – sowohl Ausländer als auch Chinesen – ziehen inzwischen offenbar Geld ab, statt es dort zu investieren. Der Export wuchs im Juli statt um die erwarteten 5 nur noch um 1 Prozent. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua zitierte Ministerpräsident Wen Jiabao mit den Worten, „die ökonomischen Härten könnten noch eine Weile andauern“.

Für die deutsche Wirtschaft könnten damit ebenfalls härtere Zeiten anbrechen. Das Wirtschaftswachstum belief sich im zweiten Quartal auf nur noch 0,3 Prozent. Wenn sich die Weltwirtschaft verschlechtere, leide eben auch Deutschland, stellte der Ökonom Max Otte bei der Vorlage der Konjunkturzahlen fest: „Es wäre ein Wunder, wenn wir da so ganz unbeschadet durchsegeln würden.“

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