Gnadengesuch abgelehnt: SS-Mann Gröning muss in Haft

Der „Buchhalter von Auschwitz“ versuchte seiner Haftstrafe mit einem Gnadengesuch zu entgehen. Dem wurde vom Gericht nicht stattgegeben.

Oskar Gröning sitzt in einem Auto

Bekommt bald eine Ladung zum Haftantritt: Oskar Gröning Foto: ap

BERLIN taz | Oskar Grönings Anwälte haben alles versucht, um ihrem 96-jährigen Mandanten eine Haftstrafe zu ersparen. Schon im Prozess vor dem Lüneburger Landgericht im Jahr 2015 hatten sie vergeblich einen Freispruch gefordert. Gröning war dort wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen angeklagt worden. Der Prozess endete im April 2015 mit seiner Verurteilung zu vier Jahren Haft. Dabei berücksichtigte das Landgericht sowohl sein hohes Alter als auch die Tatsache, dass er sich in dem Verfahren geäußert und Reue bekannt hatte.

Danach legten Grönings Anwälte beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision gegen das Urteil ein – und scheiterten erneut. Zuletzt lehnte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Beschwerde Grönings gegen seinen Haftantritt ab. Als letztes Mittel legte der ehemalige SS-Wachmann von Auschwitz ein Gnadengesuch ein – und das wurde am Mittwoch von der Staatsanwaltschaft Lüneburg abgelehnt. Dort hat man angekündigt, Gröning zeitnah die Ladung zum Haftantritt zuzusenden. Der Angeklagte gilt als gesund genug, um seine Strafe anzutreten.

Jetzt könnte sich Gröning noch an die niedersächische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) wenden und um Gnade bitten. Doch es ist denkbar unwahrscheinlich, dass die Politikerin ihren eigenen Justizorganen widerspricht.

Der Gröning-Prozess hat Rechtsgeschichte geschrieben. Denn es war nach dem Prozess gegen John Demjanjuk in München nicht nur das zweite Verfahren gegen einen NS-Täter, dem kein individueller Mord zur Last gelegt wurde. Vielmehr bewertete das Gericht seine Tätigkeit in Auschwitz, wo der SS-Mann vor allem als eine Art Buchhalter mit der Registrierung und Verwaltung geraubter Gelder und Sachwerte der ermordeten Juden beschäftigt war, als ausreichend für seine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord.

Die Bestätigung dieses Urteils durch den Bundesgerichtshof im September 2016 hat einer neuen Rechtsauffassung endgültig zum Durchbruch verholfen. Danach kann auch die bloße Anwesenheit eines Wachmanns in einem NS-Vernichtungslager als Beihilfe zum Mord gewertet werden, ist diese doch als generelle Unterstützung für den Betrieb einer Mordfabrik wie Auschwitz zu werten. Die Neubewertung erfolgte freilich reichlich spät, da inzwischen weit mehr als 95 Prozent aller früherer KZ-Bediensteten verstorben sind.

Das Urteil eröffnete den Beginn weiterer Verfahren gegen mutmaßliche NS-Täter in Konzentrations- und Vernichtungslagern. Derzeit ermittelt Staatsanwälte in der ganzen Bundesrepublik gegen etwa 20 frühere KZ-Bedienstete. Gegen drei Männer, die im KZ Stutthof und in Majdanek Dienst getan haben, ist bereits Anklage erhoben worden. Weitere Vorermittlungen laufen derzeit bei der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg.

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