Golden Pudel Club feiert Geburtstag: Ein Ort für Schelme

Eine Geburtstagsgala mit Protestnote: Am Samstag feiert der legendäre Hamburger Szene-Club Golden Pudel: 21 Jahre Subkultur hat er geschafft.

"Ich wäre dafür, aus dem Pudel eine Genossenschaft zu machen": Schorsch Kamerun vor seinem Club. Bild: dpa

Hamburg war in den vergangenen Monaten immer gut für eine Horrormeldung: Das ehrwürdige Altonaer Museum sollte geschlossen, das Junge Schauspielhaus, die beliebte Jugendsparte des größten deutschen Sprechtheaters, eingespart werden. Und dann die Sache mit den freien Künstlern: Für deren Gewerkel schien die Stadt Hamburg zwar wenig übrig zu haben, umso mehr dafür für den aufwertenden Effekt ihrer Anwesenheit in sozial schwächeren Stadteilen.

Die Botschaft dahinter war immer dieselbe: Kultur müsse sich rechnen, einen handgreiflichen Nutzen zeitigen. Und so nimmt es nicht Wunder, dass die Elbmetropole zusehends seltener als Weltstadt wahrgenommen wird und immer häufiger als Landeierheim - geschätzt von all jenen, die beim Wort Theater nicht an Hamlet oder Heiner Müller, sondern an den "König der Löwen" und "Tarzan" denken.

Aufbegehrt gegen das kühle hanseatische Nutzenkalkül hat schon immer die rege Subkultur der Stadt. Nun finden drei der wichtigsten Orte dieser Szene auf bislang einmalige Weise zusammen. Der Golden Pudel Club, der mit seinen prominenten Betreibern Schorsch Kamerun und Rocko Schamoni das Verpeilen zum Programm erhoben hat, feiert sein 21-jähriges Bestehen (das Jubiläum im Jahr zuvor wurde verschlafen).

Begangen wird es diesen Samstag mit Musik und Trara auf Kampnagel, ein Kulturzentrum, in dem sich lokale und internationale Tanz-, Theater und Performance-Produktionen abwechseln. Die Pudel-Geburtstagsgala selbst ist wiederum Teil einer Festspielwoche für das gefährdete autonome Zentrum Rote Flora.

Drei Orte, drei Geschichten. Kampnagel, einst besetzt, heute subventioniert und an die Kulturbehörde angegliedert, die die Intendanten benennt: Das ist der Ort, an dem die Subkultur salonfähig ist. Die Rote Flora wird in einem zurzeit kursierenden Aufruf zur Solidarität charakterisiert als "linksradikal vollgekleistert, gegen Überwachungsstaat, innere Sicherheit, Repression, AKWs, Nazis": Das ist die Absage an bestehende gesellschaftliche Verhältnisse. Der Golden Pudel Club ist der Ort dazwischen, wo der Punk ein Seidenhalstuch trägt und der Charme der Bourgeoisie ebenso zählt wie der Stinkefinger der Systemkritik. Kurz: ein Ort für Schelme.

So wars von Anfang an. Der erste Pudel-Club ist ein Nachtschwärmerflohmarkt auf St. Pauli, den Kram, die Kleider und den Namen des Clubs haben die Betreiber von einer dichtgemachten Edel-Boutique am Jungfernstieg übernommen. Von St. Pauli verschlägt es den Club später ins Schanzenviertel, und Schorsch Kamerun kann von dieser Zeit, in der im heutigen Hipster-Viertel rein gar nichts los war, hinreißend erzählen. Wie sie mit einer "Bierspur", auf der Straße verteilte Flaschen, Publikum in den Laden locken. Oder über eine "Action List" akquirierten - ein vollgetextetes Tape, das man 100, 150 Leuten übers Telefon abspielt, um nicht immer dasselbe Zeug am Hörer quasseln zu müssen. "Ein einziges Verlustgeschäft", so erinnert sich Kamerun an den Laden, "aber die geilsten Partys überhaupt."

Mitte der 1990er Jahre zieht der Pudel-Club an die Hafenstraße, in ein kleines, eher ranzig als historisch zu nennendes Hafenrandgebäude - und erlebt sein blaues Wunder. Da kam bereits nach ein paar Tagen das Premiere-Privatfernsehen vorbei", erzählt Kamerun. Es ist die Hochzeit der Hamburger Schule und einige ihrer Vertreter, Jochen Diestelmeyer und Frank Spilker etwa, arbeiten im Pudel an Bar und Plattentellern. Ein Hype. Aber keine Kohle. "Das einzige Mal", sagt Kamerun, "das ich einen Pfennig aus dem Pudel bekommen habe, war im ersten Jahr, da hatten wir vergessen, die Steuern zu zahlen."

Geld wird nur am Wochenende mit Partys eingespielt, der Club hat aber sieben Tage die Woche offen. Montags nutzen Kunststudenten den Pudel als Ausstellungsraum, ansonsten gibts mal schräge Musikveranstaltungen, mal Diskussionen, mal Lesungen. Kamerun sagt, dass es diese offenen Räume seien, die den Pudel glaubwürdig machen als ein nichtkommerzielles Projekt.

Allerdings hat die Geschichte der Nichtkommerzialität einen kleinen Haken. 2009 hat der Pudel-Club das Gebäude der Stadt mit einem Kredit abgekauft, dessen Tilgungsrate in etwa der Höhe der vormals gezahlten Pacht entspricht. Ist der Kredit in 20 Jahren abbezahlt, sitzen die Pudelbetreiber auf einem hübschen Immobilienwert - was Kamerun schon mal Bauchschmerzen bereitet. "Ich wäre dafür, aus dem Pudel eine Genossenschaft zu machen", sagt er, "aber das sieht nicht jeder so."

Gewichtiger ist aber wohl das Problem, dass die Stadt mittlerweile den Nutzen der Subkultur erkennt und sie zu instrumentalisieren versucht. Experimentelle Räume seien zwar "unabdingbar", aber "nicht unbedingt auf kommunale Förderung angewiesen und können privatwirtschaftlich finanziert werden", vermerkte jüngst die Stadtentwicklungsbehörde wie mit einem Augenzwinkern Richtung Pudel-Club.

Die "Elbphilharmonie des Herzens", wie sich der Club auch nennt, zieht die Stadt mithin als Argument heran, um ihr Geld lieber in Großprojekte wie das Millionengrab der Elbphilharmonie ohne Sinn und Verstand zu schaufeln. Es ist dieser Zynismus der Stadtentwicklung, der den Hintergrund der Flora-bleibt-Festspielwochen bildet. So ist auch die Gala des Pudel-Clubs auf Kampnagel mehr als nur eine Geburtstagsfeier. Sie ist ein Kniff im Hamburger Handgemenge zwischen Ökonomie und Kultur.

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