Google-Gründer Brin kritisiert Facebook: „Geist wieder in die Flasche gedrückt“

Ausgerechnet Google-Gründer Sergey Brin klagt über eine Gefährdung des offenen Netzes durch Regierungen – und durch Facebook. Auch die Unterhaltungsindustrie kommt nicht gut weg.

Sorgt sich um die Freiheit im Netz: Sergey Brin. Bild: reuters

LONDON dapd | Der Google-Mitgründer Sergey Brin hat vor zunehmenden Einschränkungen der Freiheit des Datenverkehrs im Internet durch Firmen und Regierungen gewarnt. Der Unternehmer sagte in einem Interview der britischen Tageszeitung Guardian am Sonntag, das Prinzip von Offenheit und universellem Zugang zu Daten sei noch nie so stark gefährdet gewesen wie zurzeit.

Als Beispiele nannte er die Firmenpolitik von Facebook und Apple, die Inhalte nur ihren eigenen Kunden zur Verfügung stellten und damit virtuelle Mauern im Internet aufbauten. Außerdem kritisierte er die Regierungen verschiedener Staaten für ihre restriktive Netzpolitik.

Brin sagte, er und sein Partner Larry Page hätten die Suchmaschine Google nicht programmieren können, wenn das Netz seinerzeit bereits so von Facebook dominiert gewesen sei. „Der Grund, dass wir eine Suchmaschine schaffen konnten, war, dass das Netz so offen war. Wenn immer mehr Regeln in Kraft treten, wird die Innovation unterdrückt“, sagte der 38-jährige Softwaremilliardär. Die Informationen, die beispielsweise in den Apps von Apple steckten, seien im Netz nur für Apple-Nutzer auffindbar. „Da geht viel verloren“, sagte er.

In harschen Worten kritisierte Brin die Unterhaltungsindustrie, die nach einer gesetzlichen Grundlage zur Blockade von unrechtmäßig kopierten Inhalten im Netz verlange. US-Gesetzesentwürfe wie SOPA und PIPA, die von der Musik- und Filmbranche befürwortet werden, führten die USA in denselben Ansatz, den auch China und der Iran bei ihrer Zensur verwendeten. „Die Unterhaltungsindustrie hat versagt, weil sie nicht einsieht, dass die Leute solange Piraten-Inhalte herunterladen, solange es nicht einfacher ist, sich rechtmäßig erworbene Inhalte zu beschaffen.“

Brin kritisierte auch den zunehmenden Einfluss verschiedener Regierung auf die Freiheit im Internet. Er nannte namentlich China, Russland und den Iran als Staaten, in denen es keine Freiheit des Datenverkehrs gebe. So sei in China eine Regelung eingeführt worden, nach der auf Blogseiten Pseudonyme unzulässig sind und die Blogger nur unter ihren richtigen Namen publizieren dürfen.

In Russland werde versucht, die Bloggerszene zu unterdrücken, die Proteste gegen Ministerpräsident Wladimir Putins Politik organisiert. Ferner gebe es Berichte, denen zufolge der Iran ab dem Sommer die Einführung eines geschlossenen „nationalen Internets“ plane.

Protest gegen Zensur

Brin sagte, er sei sehr besorgt um die Freiheit im Internet. Google hatte sich 2010 teilweise aus dem wichtigen chinesischen Markt zurückgezogen, um gegen die Zensur zu protestieren. In keinem anderen Land der Welt gibt es mehr Internetnutzer als in China.

Der Google-Mitgründer sagte, vor noch fünf Jahren hätte er nicht gedacht, dass China oder ein anderes Land das Internet dauerhaft kontrollieren könnte, jetzt müsse er aber zugeben, dass er sich geirrt habe: „Ich hätte nie gedacht, dass man den Geist in die Flasche zurückbekommen könnte, aber jetzt sieht es so aus, als ob der Geist zumindest teilweise zurück in die Flasche gedrückt würde“, sagte er.

Im Netz stießen die Meinungsäußerungen von Brin auf ein geteiltes Echo. Während manche Netz-Anwender den Einsatz für ein offenes Internet lobten, warfen andere dem Google-Mitbegründer vor, letztlich nur die kommerziellen Interessen des Unternehmens im Blick zu haben.

„Die Google-Version des Open Web scheint sehr einfach: Lasst uns an alles rankommen“, schrieb Chris Matyszczyk im Portal CNET. „Egal ob es sich um Bücher, Straßen, Häuser, Facebook-Konten, iPhoto-Sammlungen oder um die Überreste von Ihrer Spaghetti Bolognese handelt.“

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