Google bestätigt Datenbrillen-Projekt: Schöne neue Brillenwelt

Das „Project Glass“ soll Technologie und Internet noch enger und intuitiver in den Alltag einbetten – in Form einer Brille. Doch vorerst lauern noch viele technische und rechtliche Probleme.

Wenn die Freundin anruft: die Welt durch eine Datenbrille. Bild: Screenshot Youtube.com

BERLIN/MOUNTAIN VIEW dpa | Nach dem Ende der PC-Ära ist auch schon das Ende der Smartphone-Ära in Sicht: Das engste Bindeglied zwischen Mensch und Internet könnte in Zukunft eine Brille sein.

Google stellte jetzt ein Projekt vor, das Informationen aller Art in ein Brillenglas einblendet. „Das ist sicherlich zukunftsträchtig, wirft aber auch sehr viele Fragen auf, über die man schon jetzt nachdenken sollte“, sagt Reinhard Karger vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).

Wie das „Project Glass“ funktionieren könnte, zeigt ein Video des Google-Teams: Nach dem Aufstehen sieht der in New York lebende Brillenträger, welche Termine anstehen: „Heute Abend Jess sehen, 18.30 Uhr.“ Ein Wetterbericht wird eingeblendet. Dann meldet sich ein Bekannter und fragt in einer Sprechblase nach einem Treffen. Der Brillenträger antwortet mit seiner Stimme – das Gerät beherrscht auch Spracherkennung.

Auf dem Weg zur U-Bahn wird die Information angezeigt, dass die Bahn ausfällt. So macht sich der Brillenträger zu Fuß auf den Weg, es wird kurz ein Routenplaner zum Zielort eingeblendet, der sich wieder meldet, sobald man an einer Kreuzung abbiegen muss. Die Datenbrille zeigt auch an, wenn ein Bekannter in der Nähe ist: „Paul ist 120 Meter entfernt.“

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Unterwegs wird mit der Brille noch ein Foto aufgenommen. Für den Abschluss des kleinen Films hat sich Google noch ein besonderes Highlight aufgehoben: „View Share on“ – jetzt kann auch die Freundin Jessica sehen, was man selbst gerade vor Augen hat.

„Das ist ja gruselig“, lautet die spontane Reaktion im Bekanntenkreis. DFKI-Sprecher Karger räumt ein, dass ein derartiges Projekt zahlreiche Fragen zum Schutz der Privatsphäre aufwerfe, denen man sich möglichst frühzeitig stellen solle. Denn die Geschichte zeige, dass jede menschliche Vision irgendwann Wirklichkeit werde.

Eine entscheidende Frage sehen die Experten für Künstliche Intelligenz darin, welche Informationen und Interaktionen ein solches Gerät bereitstellen soll. Karger fügt hinzu: „Dafür haben wir noch keine Interaktionskultur entwickelt“ – im Unterschied zur Multitouch-Bedienung bei Smartphones und Tablet-Computern, die schon von kleinen Kindern beherrscht wird.

Die Technik für eine solche Brille wird als „erweiterte Realität“ (Augmented Reality) bezeichnet. Dabei erkennt eine Software Objekte unserer Umgebung, zeigt in einer zusätzlichen Sichtebene Informationen dazu an oder bietet Möglichkeiten, um mit Objekten, Standorten oder Personen zu kommunizieren. Wofür bisher ein Mausklick oder eine Fingerberührung nötig war, könnte dann mit einer Kopf- oder Augenbewegung geschehen.

Etliche technische Probleme

Das Google-Projekt wird im Forschungslabor Google X entwickelt, das auch an einem Konzept für ein fahrerloses Auto arbeitet. Mit dabei ist der in Solingen geborene Wissenschaftler Sebastian Thrun, der an der Stanford University in Kalifornien über Künstliche Intelligenz forscht und als „Google Fellow“ Ideen für Zukunftsprojekte des Internet-Konzerns beisteuert.

Die Datenbrille wirft etliche technische Probleme auf, die vor einer Realisierung gelöst werden müssen. Das betrifft die benötigte schnelle Anbindung an das Internet, die Stromversorgung und damit die Dauer der Laufzeit. Ingenieurskunst ist gefragt, wenn auch eine Miniaturkamera und Spracherkennung eingebaut werden soll. Ein Teil der Technik könnte in den Bügel gelegt werden, ein Teil in die Cloud, also in Rechenzentren im Internet, wie das schon zum Teil bei der Spracherkennung auf dem Smartphones gemacht wird.

In den USA wird es für möglich gehalten, dass die Google-Brille schon in einem Jahr Wirklichkeit wird – so heißt es etwa im Fachdienst TechCrunch. Ein Google-Sprecher in Hamburg sagt, zum Zeitpunkt einer Einführung könnten noch gar keine Angaben gemacht werden. Das Forschungslabor Google X arbeite an Zukunftsprojekten, aber immer mit Blick auf mögliche Anwendungen. Google erklärte, es wolle schon jetzt darüber informieren, um Anstöße von Interessenten zu erhalten.

Die fallen allerdings auch kritisch aus. Der Autor Joe Stracci aus New Fairfield im US-Staat Connecticut schrieb in seinem Blog: „Das hilft euch überhaupt nicht, eure Welt zu erkunden. Es hilft Google, eure Welt zu erkunden.“ Als Möglichkeit für eine kommerzielle Nutzung zeigt das Video, wie der Brillenträger an einem Konzertplakat vorbeiläuft und – bling – sofort das Ticket für die Veranstaltung kaufen kann. Und Google ist schließlich Marktführer für Online-Werbung und hat sein gesamtes Geschäftsmodell darauf ausgerichtet.

Das Gegenüber in der U-Bahn

„Durch eine solche Brille würde der Datenschutz noch einmal erheblich gefährdet“, sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. „Der Nutzer würde noch mehr Informationen über sich, sein Verhalten und seinen Aufenthaltsort an das Unternehmen liefern, das diese Daten dann mit den ohnehin bekannten Nutzerinformationen aus E-Mail und Suchanfragen verknüpfen könnte.“

Zudem könnte die Technik dazu verwendet werden, Dritte zu kontrollieren - „jedenfalls dann, wenn hier über eine Gesichtserkennungsfunktion Personen, die mir etwa in der U-Bahn gegenüber sitzen identifiziert werden könnten“. Schaar sagte, Google wäre gut beraten, diese Datenschutzaspekte möglichst frühzeitig zu berücksichtigen.

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