Grammy-Verleihung 2016: #CATmageddon aufm Second Screen

Kendrick Lamar und die Alabama Shakes sorgten bei den Grammys für Aufsehen. Doch der spannendere Teil der Show spielte sich auf Twitter ab.

Kendrick Lamar und einige Tänzer in Handschellen und Häftlingskleidung

Black Lives Matter: Kendrick Lamar bezog mit seinem Auftritt Stellung zur hohen Verhaftungsquote von Afroamerikanern. Foto: reuters

Natürlich, mit großen Überraschungen war nicht zu rechnen. Die Grammy Awards wirkten auch in diesem Jahr einmal mehr wie das alljährliche, immer gleiche Familientreffen zu Weihnachten. Gute Leistungen wurden beklatscht (Taylor Swift), über Abwesende argwöhnisch die Stirn gerunzelt (Rhianna), verstorbener Bekannter nostalgisch gedacht (u. A. David Bowie, Lemmy Kilmister) und letzten Endes fängt immer irgendwann jemand an zu heulen (Meghan Trainor).

Trotzdem fühlt man sich irgendwie verpflichtet, die Nacht für das dreistündige Werbespektakel zu opfern und fragt sich im Nachhinein jedes Mal, warum man sich das eigentlich antut. Die Königskategorien des Musikpreises, der in dieser langen Nacht zum Dienstag bereits zum 58. Mal in Los Angeles verliehen wurde, standen eigentlich so gut wie fest.

Everybody’s Darling Taylor Swift heimste für ihr Album „1989“ den Award für das Album des Jahres ein und für ihre Kollaboration mit Rapper Kendrick Lamar in „Bad Blood“ den Preis für das beste Musikvideo.

Dieser wiederum gewann mit „To Pimp a Butterfly“ in der Kategorie „Bestes Rapalbum“ und überraschte mit einer erfrischend politischen Performance, als er sich selbst in Ketten gelegt mit seiner Gang im Gefängnis inszenierte und damit einige solidarisierende #BlackLivesMatter-Tweets provozierte.

Schwammiger Chicken Wing

Im Gegensatz zu Bruno Mars, der bevor sein Song „Uptown Funk“ überhaupt als Single des Jahres ausgerufen wurde, bereits jubelnd von seinem Sitz aufsprang, mimte „All About That Bass“-Sängerin und Königin des taillierten Retrochics Meghan Trainer ganz die in Tränen aufgelöste Newcomerin des Jahres.

Doch die Verleihungen wirkten beinahe wie nebensächliches Beiwerk, die eigentlichen Grammys spielten sich auf dem Second Screen über Twitter ab. Gnadenlos wurde hier über die Frisur des R’n’b-Sängers The Weeknd hergezogen (“sieht aus wie ein Chicken Wing, der aus einem Schwamm ausgeschnitten wurde“), über Rhiannas gesundheitsbedingtes Fernbleiben spekuliert und von ungeduldigen #Beliebers (ja, so nennen sich die Fans) dem Auftritt Justin Biebers entgegengefiebert.

Bei so vielen langweiligen Balladen und fragwürdigen Werbeunterbrechungen, innerhalb derer etwa für die Vorteile von Scientology geworben wurde oder die #CATmageddon-Kampagne mit der simplen Formel „Smoking = No Cats = No Cat Videos“ gegen Raucher zu argumentieren versuchte, war der Griff zum Smartphone quasi unvermeidlich und sorgte zumindest nebenbei für kurzweilige Unterhaltung.

Doch die Verleihung hatte auch ihre Momente. Lionel Richie, der für seine 26-jährige Karriere als „MusiCares Person of the Year“ ausgezeichnet wurde, wurde mit einem rührenden Medley geehrt und der blinde Musiker Stevie Wonder rüttelte die etwas steife Gesellschaft mit einem lockeren Witz über die in Brailleschrift geprägte Karte des Preisträgers, den er „verlesen“ durfte, wieder wach.

Von Lemmy bis Bowie

Auch die angekündigten Tribut-Auftritte an die zahlreichen verstorbenen Musiker des letzten Jahres gestalteten sich überraschend würdevoll. Die Country-Rocker der Eagles spielten für ihren ehemaligen Sänger Glenn Frey, R’n’B-Sänger Miguel gedachte mit „She’s out of my Life“ des 35-jährigen Grammy-Jubiläums Michael Jacksons und selbst die etwas schweinerockige Performance von „The Hollywood Vampires“ mit u. a. Alice Cooper und Johnny Depp wurde dem Tod des exzessiven Motörhead-Sängers Lemmy Kilmister auf ihre Art gerecht.

Lady Gagas im Vorfeld von Fans etwas gefürchtetes David-Bowie-Medley war dank aufwendiger „Space Oddity“-Projektionen, dramatischer Transformationen vom karottenhaarigen Ziggy Stardust zum schlaghosentragenden Rebel Rebel und schräger Tanzeinlagen irgendwie auch ziemlich bowiemäßig.

Der daran anschließende, fünfminütige Werbeblock, in dem einem bekannten Elektronikhersteller für die technische Umsetzung gehuldigt wurde, brachte einen dann aber schnell wieder zurück auf den Boden des offensichtlich kommerziellen Anlasses.

Während Justin Biebers peinliche Tanzeinlage beim Auftritt mit Skrillex und Diplo, die als Jack Ü mit überproduziertem EDM und Dubstep amerikanische College-Partys sprengen, eher schnell vergessen werden sollte, bildete die in Deutschland noch eher unbekannte US-amerikanische Rockband Alabama Shakes, die den Award für den besten Rocksong erhielt, ein definitives Highlight.

Es gehört doch dazu

Sängerin Brittany Howard lieferte in ein weißes Gewand gehüllt einen erfrischend souligen Auftritt ab, der zwischen all den durchchoreografierten Megashows ihrer BühnenkollegInnen durch seinen authentischen Ausdruck herausstach.

Wahrscheinlich sind es doch gerade diese zufälligen, neuen Bekanntschaften, die einen dazu bringen, eben doch jedes Jahr zum Familientreffen zu fahren. So sehr es sich wie eine überkommene, langweilige Tradition anfühlt, irgendwie gehört es doch einfach dazu.

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