Grenzen von Gentests: Babys à la carte

Man kann manche Eigenschaft von Kindern mittlerweile extrem genau vorhersagen. Aber wie weit sollte man gehen?

Gentests machen die Vorstellung von Babys schon vor der Geburt extrem konkret. Bild: dpa

Was alles möglich ist, hat das Unternehmen 23andme erst im vergangenen Jahr wieder gezeigt. Da wurde der Firma ein Patent für einen Algorithmus genehmigt, mit dem sich Eigenschaften von Kindern berechnen lassen. So ließe sich beispielsweise herausfinden, ob Babys, die aus der Kombination der eigenen Eizelle mit einem bestimmten Sperma entstehen, Bitteres schmecken können oder ob ihre Haut sich bei Alkoholkonsum rötet. Neben gewöhnlicheren Eigenschaften wie Haarfarbe, Augenfarbe und diversen Krankheitsrisiken.

Das Patent mit der Nummer 8543339 und dem Titel „Auswahl von Spendern von Geschlechtszellen auf Grundlage genetischer Berechnungen“ war schon 2008 eingereicht worden. Als die Genehmigung bekannt wurde, teilte 23andme mit, dass es zwar einmal überlegt habe, die Technik in Fruchtbarkeitskliniken einzusetzen, dass es diese Pläne allerdings nie weiterverfolgt habe und auch nicht plane, sie einzusetzen. 23andme wurde von unter anderem von Anne Wojcicki gegründet, der Frau des Google-Mitgründers Sergey Brin. Die Firma dürfte auch deshalb besonders deutlich betonen, dass da wirklich überhaupt nichts geplant sei, weil die Vorstellung vom Baby à la carte viele Menschen verstört. //:http://onlinetaz.hal.taz.de/http://

Mittlerweile hat die Gesundheitsbehörde der USA die Vermarktung von 23andme-Gentests zu Gesundheitszwecken verboten.

Trotzdem verbreiten sich Techniken, die anhand genetischer Informationen Vorhersagen über die Zukunft von Kindern treffen. 2012 kam in Deutschland beispielsweise der Pränatest auf den Markt, der anhand einiger Tropfen Blut einer werdenden Mutter offenbart, ob ihr Kind Trisomie21 haben wird.

Medizinern, Ethikern und auch Parlamentariern stellt sich damit immer drängender die Frage: Was darf man wissen über ein ungeborenes Baby?

Genetische Ausstattungen kennen

Für die Titelgeschichte der taz.am wochenende vom 1./2. März 2014 hat taz-Reporterin Heike Haarhoff mit der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen, gesprochen. Woopen, Frauenärztin und selbst Mutter von vier Kindern, plädiert in dem Gespräch für klare Grenzen und fordert ein Recht auf Nicht-Wissen auch für Ungeborene.

Man müsse es jedem Menschen selbst überlassen, ob er seine genetische Ausstattung kennen möchte. „Es gibt ein Recht auf Wissen und eines auf Nichtwissen. Darüber hinaus gibt es ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, sagt Woopen. „Das heißt, entscheiden zu dürfen, wer sonst noch informiert werden darf. Diese Rechte aber würden hinfällig, wenn man schon vor der Geburt oder im Kindesalter alles untersuchte. Wir Erwachsene würden uns untereinander niemals zubilligen, einen anderen ohne dessen Einwilligung untersuchen zu dürfen. Dieser Grundsatz muss mit Blick auf sein späteres Leben auch schon für das Ungeborene gelten.“

Woopen hält es für sinnvoll, die Grenze selbst dann hart zu ziehen, wenn die Eltern große Angst davor haben, ihren Kindern ein hohes Risiko für bestimmte Krankheiten zu vererben. Brustkrebs etwa oder Darmkrebs. „Selbstverständlich habe ich großes Verständnis dafür, dass in Familien, in denen es eine solche Erkrankung gibt, die Angst davor ganz erheblich und belastend sein kann. Und doch können Eltern daraus meines Erachtens nicht das Recht ableiten, ihr Kind untersuchen zu dürfen“, sagt Woopen.

„Zuweilen unbequem“

Manche Politiker klagen, dass ihnen wegen des rasanten technischen Fortschritts kaum anderes bleibe, als das technisch Machbare im Nachhinein zu legalisieren. Die Katholikin Woopen hat dafür kein Verständnis. Die Technik der Gendiagnostik sei schließlich nicht vom Himmel gefallen. „Man muss dann der Tatsache ins Auge sehen, dass mit zunehmenden Handlungsmöglichkeiten auch die Verantwortung wächst. Das mag zuweilen unbequem sein.“

Hat Woopen recht? Müssen wir die Grenzen äußerst strikt ziehen? Oder sollten wir es es als Chance sehen, mögliche Risiken für seine Kinder sehr früh auszuschließen? Und müssen wir alle Möglichkeiten, die wir haben, auch nutzen?

Diskutieren Sie mit!

Neben dem Gespräch mit Christiane Woopen lesen Sie in der Titelgeschichte der taz.am wochenende vom 1./2. März 2014 außerdem die Geschichte einer Frau, die das Wissen, das ihr ein Gentest brachte, vor eine der schwierigsten Entscheidungen ihres Lebens gestellt hat.

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