Grenzkontrollen in der EU: „Sicherheit und Ordnung“ in Gefahr

Die deutsche und französische Regierung wollen das Schengen-Abkommen „in Notfällen“ eigenmächtig aussetzen können. Illegale Migration wäre damit ein Notfall.

Illegale Einwanderer – hier in Griechenland – gefährden die innere Sicherheit, meint Innenminister Hans-Peter Friedrich. Bild: reuters

BERLIN taz | Deutschland und Frankreich wollen leichter Grenzkontrollen durchführen und das Schengener Abkommen aussetzen dürfen. Das forderten Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und sein französischer Kollege Claude Guéant in einem Brief an die EU-Ratspräsidentschaft. Die Kontrollen sollen „in Notfällen“ für einen Zeitraum von bis zu dreißig Tagen möglich sein.

Als Notfall soll etwa gelten, wenn Länder wie Griechenland oder Italien die EU-Außengrenzen nicht ausreichend sichern. Die vor allem gegen illegale Einwanderung gedachte Maßnahme soll am Donnerstag von den EU-Innenministern beraten werden.

Gemäß dem Schengener Grenzkodex dürfen die Mitgliedstaaten bereits jetzt für dreißig Tage wieder Grenzkontrollen aufnehmen – wenn die „öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit schwerwiegend bedroht“ sind. Davon machen die EU-Staaten immer wieder Gebrauch – ob dies jedes Mal rechtmäßig geschieht, ist strittig.

2011 etwa hatte Frankreich zur Abwehr tunesischer Migranten vorübergehend die Grenze zu Italien kontrolliert. Im Mai will Spanien kurzfristig wieder Grenzkontrollen einführen, um ausländische Demonstranten vom Gipfeltreffen der Europäischen Zentralbank in Barcelona fernzuhalten. Derzeit müssen die Mitgliedstaaten solche Maßnahmen gegenüber der EU begründen. Überzeugen ihre Argumente nicht, kann die EU die Grenzkontrollen beim Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen.

EU-Kommissarin schlägt Kompromiss vor

Dieses Recht wollen Friedrich und Guéant abschaffen. Sie wollen, dass die Staaten nach eigenem Ermessen Grenzen schließen können. „Illegale Einwanderung als schwerwiegende Gefahr der nationalen Sicherheit einzustufen, ist absolut unverhältnismäßig“, sagt die Frankfurter Europarechtlerin Sonja Buckel.

Genau darauf zielt der deutsch-französische Vorstoß: Besonders an den südlichen und östlichen Außengrenzen des Schengenraums sei die Aufgabe „zunehmend schwieriger geworden“, „illegale Migration zu bekämpfen“, heißt es in dem Brief an die dänische EU-Ratspräsidentschaft. Es gebe bisher kaum Möglichkeiten zu reagieren, wenn ein Land die Standards für den Grenzschutz nicht erfülle.

Die EU-Kommission ist grundsätzlich gegen Kontrollen an den Binnengrenzen. Kommissarin Cecilia Malmström schlägt jedoch als Kompromiss vor, den Staaten in Notfällen fünftägige Grenzkontrollen zu erlauben – unter erleichterten Bedingungen, aber mit Genehmigungsvorbehalt durch Brüssel.

Der grüne EU-Politiker Memet Kilic hält den Vorschlag für einen „Verstoß gegen die europäische Idee“. Das Flüchtlingsproblem müsse gemeinschaftlich gelöst werden. „Im Moment wälzt Deutschland das Problem einfach auf die Südeuropäer ab“, sagte Kilic. Flüchtlinge seien „weder eine öffentliche Gefahr noch unvorhersehbar“.

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