Grüne Reaktionen: Gewinnen allein reicht nicht

Auf der Wahlparty im Festsaal Kreuzberg mischt sich Selbstbewusstsein mit Resignation. Spitzenkandidatin Künast spricht vom "besten Ergebnis" aller Zeiten.

Hinter dem Jubel ein flaues Gefühl: Grünen-Wahlparty im Festsaal Kreuzberg. Bild: dpa

Daniel Wesener tropft der Schweiß von der Stirn, als auf der großen Leinwand die ersten Ergebnisse aufleuchten. Schuld ist weniger die Aufregung als der prallgefüllte, stickige Festsaal Kreuzberg, in den die Grünen am Sonntagabend zur Wahlparty geladen haben. Als dann der grüne Balken bei 18 Prozent stehen bleibt, hebt auch Grünen-Landeschef Wesener zum Applaus an. Die Miene verzieht er kaum.

Wesener ist damit nicht allein im Saal. Das Grünen-Ergebnis wird beklatscht - freundlich, aber wenig ekstatisch. Erst als der FDP-Balken bei 2 Prozent stoppt, bricht Jubel aus. "Ja, geil", ruft einer schadenfroh aus der gedrängten Menge.

"Lass dir nicht den Erfolg ausreden", klopft eine Frau Wesener auf die Schulter. "Nee, nee, keine Sorge", gibt der zurück. 18 Prozent seien immerhin das beste Ergebnis, das die Grünen je im Abgeordnetenhaus erreicht hätten. 13,1 Prozent waren es beim letzten Mal, 2006. Dann schiebt Wesener doch ein Aber hinterher. "Natürlich bleibt das Ergebnis hinter den Erwartungen zurück."

Es spiegelt die Stimmung in dem durchgängig in Grün dekorierten Konzertsaal: schon nicht schlecht. Aber.

"Na klar, hätte schon mehr sein können", sagt Hinrich Westerkamp, Reinickendorfer Grüner. Worans gelegen hat? "Vielleicht die Piraten. Die hat keiner auf der Liste gehabt." Vielleicht auch an dem langen Pokern mit einer CDU-Koalition. Selbst im konservativen Reinickendorf stehe sein Verband klar für Rot-Grün, so Hinrich. "Das zumindest sollte jetzt klappen, gestalten ist immer besser."

Auch Judith Hartmann, Zehlendorfer Parteianhängerin, blickt etwas geknickt drein. Sie habe sich schon einen Wechsel, eine Frau im Roten Rathaus gewünscht. Die Grünen hätten ja "mutig klares Profil" gezeigt: für ein ökologisches Energiekonzept, gegen die A 100, gegen einen Großflughafen. "Vielleicht hat das einige verschreckt."

18 Prozent. In der Grünen-Hochburg Berlin, 2 Prozent unter dem Grünen-Bundestrend. Landeschef Wesener kann nicht zufrieden sein. Der Schwenk von Künast vor zwei Wochen, eine Koalition mit der CDU ausschließen, sei weder falsch noch zu spät gewesen, betont der 36-Jährige. Die Piraten als Stimmenklauer? "Nicht auszuschließen."

Dann betritt Künast den Raum, schiebt sich im knallroten Jackett durch die Menge zur Bühne. Plötzlich ist der tosende Jubel da, der Moderator drückt Künast einen Sonnenblumenstrauß in die Hand. "Ihr habt gefightet, danke!", ruft sie in den Raum. Und wiederholt dann den Parteitenor des Abends. Bestes Berliner Ergebnis jemals. "Auch wenn wir mehr gewollt haben." Künast will sich damit aber nicht lange aufhalten. Man sei bereit für Sondierungsgespräche mit der SPD, sagt sie. "Um nach zehn Jahren Stillstand Zukunft zu organisieren." Es müsse am Ende aber auch grüne Politik stehen. "Wir sind die Partei, die den Stimmenzuwachs mitbringt", gibt sie der SPD auf den Weg. Applaus wallt durch den Saal, Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann nimmt Künast herzend in den Arm. Stimmen, die die grüne Spitzenkandidatin infrage stellen, sind an diesem Abend leise.

Auch Grünen-Bundeschefin Claudia Roth spricht lieber von einem "vollen Erfolg". Und fordert nach dem FDP-Wahldebakel gleich mal Neuwahlen im Bund. "Wir sind dafür bereit!" Wieder Applaus. Das FDP-Bashing zieht.

Wesener macht sich da schon auf den Weg ins Abgeordnetenhaus, zu den Fraktionskollegen. An der A 100 werde man nicht rütteln, gibt er sich selbstbewusst. "Die SPD muss sich jetzt entscheiden", sagt er mit Blick auf eine drohende rot-schwarze Koalition. "Will sie Aufbruch oder zurück in die neunziger Jahre?"

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.