Grüne Träume auf dem Bunkerdach: Bergpfad mit Aussicht

In Hamburg-St. Pauli steht ein riesiger Flakbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Auf sein Dach soll eine Konzerthalle kommen – und ein Park.

üppige Pflanzen wuchern auf dem Hamburger Felstraßenbunker

Der Traum vom Grün Foto: Jeong Hwa Min

HAMBURG taz | Mitten in Hamburg, am Rande des Heiligengeistfelds, auf dem dreimal im Jahr der Jahrmarkt mit seinem Riesenrad leuchtet, steht ein Koloss aus der Nazizeit: der Flakbunker Feldstraße. Grauer Beton, so hoch das Auge reicht, meterdicke Wände. Oben sind noch die vier Türme zu sehen, in denen die Geschütze untergebracht waren.

Viele Mieter hat der Bunker im Laufe der Zeit gesehen: Fernsehstudios, die nach dem Krieg dort einzogen, die Bild-Zeitung mit dem jungen Axel Cäsar Springer war dort und die legendären Studios des Fotografen F. C. Gundlach. Sie alle sind längst weg, aber der Bunker ist geblieben, trutzig, kolossal, unzerstörbar.

Stahlstreben, in Beton gerammt

Hässlich, wie er ist, hat sich die Stadt an seinen Anblick gewöhnt, doch seit einiger Zeit sind Veränderungen in Gange. Der Weg zum Bunkereingang ist nur noch schwer zu finden, weil überall Absperrgitter stehen, während hoch oben, auf dem Bunkerdach, wo früher manchmal lauschige Konzerte vor kleinem Publikum stattfanden, eine gigantische Pyramide gewachsen ist, aus übereinander geschichteten Stockwerken, die sich nach oben verjüngen.

Der Bunker in der Feldstraße ist eine Baustelle, doch an der Frage, was hier eigentlich gebaut wird, scheiden sich die Geister. Beim Gang um den Koloss herum, vorbei an den noch geschlossenen Buden des Jahrmarkts, vor denen es noch ganz leicht nach Schmalzfett riecht, sind an den Bunkerwänden Stahlträger zu erkennen, die in den Nazi-Beton hineingerammt worden sind und einige Meter nach außen ragen. Sie stützen einen Aufgang, der vom Boden ausgehend einmal um den Bunker herum bis zum Dach führen und es für die Öffentlichkeit begehbar machen soll.

Kolorierte Visionen auf dem Dach

Denn, das ist die Vision, wie sie seit Jahren in der Stadt visuell präsent ist mit immer demselben, kolorierten Bild, verbreitet durch die Lokalpresse, auf Plakaten und im Internet: Der Bunker soll einen Dachgarten bekommen, ach was, einen Park auf dem Dach. „Begrünung“ ist für das Vorhaben noch viel zu milde ausgedrückt. Was hier kommt, sei, so jubilierte das Hamburger Abendblatt, „Hamburgs kleines Weltwunder“.

Im Prinzip, so die Pläne der Landschaftsarchitekten, soll der komplette Bunkeraufbau, der das Gebäude von seiner ursprünglichen Höhe von 37 Metern auf 58 Meter bringt, mit Grün überzogen werden: Bäume, Büsche, Kletterpflanzen.

Der Bewuchs soll schon bei dem sich um den Bunker herumwindenden Aufgangsweg, von den Planern liebevoll „Bergpfad“ genannt, beginnen, sich auf dem Dach dort fortsetzen, wo der Aufbau einen Rand frei lässt, die Fassaden und Terrassen des Aufbaus selbst besetzen und natürlich am Ende den Park ganz oben bedecken, von dem der größere Teil als „Stadtteilfläche“ ausgewiesen ist.

900 Menschen, so heißt es, sollen dereinst auf dem Dachgarten Platz haben, doch irgendwie, das ließen die Architekten schon durchblicken, müsste der Zugang auch begrenzt werden, sonst wird der Druck der Menschenmassen auf das Gebäude zu groß, und mehr passen da oben auch nicht hin.

2.000 Menschen dagegen sollen in die Konzerthalle gehen, die oben auf dem Dach entsteht, und etwas über 130 Zimmer soll das Luxushotel haben, das in die Stockwerke über der Konzerthalle einziehen wird.

Bröckelnder Widerstand

Eine Konzerthalle und ein Hotel, genau das war vor Jahren, als die Pläne zur Bunkerbegrünung aufkamen, der Albtraum mancher Menschen aus den umliegenden Vierteln, die sich in der Feldbunker-Initiative zusammengetan hatten. Sie befürchteten noch mehr Tourismus, noch mehr Verkehr auf St. Pauli und im gegenüberliegenden Karoviertel, doch ihre Stimmen sind verstummt.

Auch bei den jetzigen Mietern des Bunkers, die sich den verwinkelten, betongedämmten Etagen niedergelassen haben, viele von ihnen aus der Kreativbranche, ist allenfalls leises Murren zu hören, wegen der Bauarbeiten, wegen des Lärms. Aber bleiben wollen sie alle. „Ist doch gut, wenn viele Leute kommen“, sagt einer der jungen Männer am Tresen des Fitnessstudios, das im ersten Stock neu eröffnet hat, gegenüber dem „Resonanzraum“, der Heimat des Hamburger Kammerorchesters „Ensemble Resonanz“, das im Inneren gerade Probe hat.

Vor zwei Wochen sind die ersten paar Bäume angeliefert worden, unter großem Medienauftrieb wurden sie aufs Dach gehievt. Es handelt sich um Bergkiefern, wegen der Winde und des rauen Klimas auf dem Dach passen sie da gut hin.

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