Grüne streiten über Merkels Europapolitik: Aufgeschreckter Hühnerhaufen

Im Streit um die Haltung zu Merkels Krisenmanagement werden die Stimmen zahlreicher. Dem vermeintlichen Pro-Kanzlerin-Plädoyer fehle es an Inhalt.

Streit bei den Grünen um die Krisenpolitik dieser Rautenträgerin. Bild: reuters

BERLIN taz | Ist Angela Merkels strenger Sparkurs in Europa richtig? Oder falsch? Oder vielleicht nur ein bisschen richtig? Fragen wie diese sorgen bei den Grünen derzeit für einige Aufregung. Denn unter den Europapolitikern der Ökopartei ist ein veritabler Streit darüber ausgebrochen, wie mit dem Krisenmanagement der Kanzlerin, das in er Bevölkerung hohe Zustimmung genießt, am besten umzugehen sei.

Jetzt haben sich Reinhard Bütikofer, Chef der europäischen Grünen, und die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner in die Debatte eingeschaltet. Sie plädieren in einem offenen Brief dafür, dass sich die Grünen weiter deutlich von Merkels Austeritätspolitik abgrenzen müssten. Wer die Situation in Griechenland oder in Spanien zur Kenntnis nehme, der könne nicht behaupten, die verordneten Sparprogramme hätten keine große materielle Wirkung gehabt. „Es gab große materielle Wirkungen, aber nicht unbedingt positive.“

Merkel verfolge „das falsche Modell“, so Bütikofer und Brantner weiter. „Man kann sich nicht in eine neue wirtschaftliche Dynamik hineinschrumpfen.“

Ihre Kritik wendet sich gegen zwei andere grüne Europaexperten. Manuel Sarrazin, der europapolitische Sprecher der Fraktion, und Michael Scharfschwerdt, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Europa, hatten Anfang der Woche einen streitbaren Debattenbeitrag veröffentlicht. Darin warfen sie der eigenen Partei vor, ein undifferenziertes und realitätsfremdes Bild von Merkels Europakurs gezeichnet zu haben. Die Grünen hätten das Spardiktat Merkels mystifiziert. Instrumente wie der Fiskalpakt hätten zum Beispiel kaum Wirkung gezeigt.

„Gegen wen oder was wird hier gekämpft?“

Die beiden Politiker verbanden ihr Plädoyer allerdings nicht mit dem Wunsch nach inhaltlichen Korrekturen, etwa im Europawahlprogramm der Grünen, was Bütikofer und Brantner zu der ironischen Frage veranlasste: „Gegen wen oder was wird hier eigentlich gekämpft?“

Das Plädoyer rief vor allem deshalb breite Kritik hervor, weil es intern als Verteidigung von Merkels Austeritätspolitik interpretiert wurde. Wer den Anschein erwecke, hochverschuldete Staaten müssten nun einmal ihr eigenes Haus in Ordnung bringen, vertrete „die falsche Ideologie“, urteilen Bütikofer und Brantner.

Die Grüne Jugend meldete sich ebenfalls zu Wort: „Merkels Krisenpolitik wurde gerade durch die fehlende Schärfe in der europapolitischen Auseinandersetzung im Bundestagswahlkampf in der öffentlichen Wahrnehmung ’alternativlos‘“, schreiben die Sprecher Theresa Kalmer und Felix Banaszak.

Eine rigide Sparpolitik in Zeiten von Rezessionen sei kein Novum in der Geschichte Europas und habe „langfristig zu einem Anwachsen sozialer Ungleichheit mit unterschiedlich drastischen Folgen geführt.“ Davon müssten sich die Grünen absetzen.

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