Grüne über Jamaika in Schleswig-Holstein: „Das Ergebnis ist offen“

Eka von Kalben, grüne Fraktionschefin in Schleswig-Holstein, über die Verhandlungen mit CDU und FDP. Strittig sind Schul-, Flüchtlingspolitik und die Agrarwende.

Wie sich die Dinge ändern: „Nach der Wahl war niemand auf Jamaika-Kurs“, sagt Eva von Kalben Foto: dpa

taz: Frau von Kalben, 87 Prozent haben beim grünen Sonderparteitag für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP gestimmt. Hat Sie die Deutlichkeit überrascht?

Eka von Kalben: Am Ende nicht mehr, die Debatte zeigte schon, dass viele Delegierte sehr verantwortungsvoll und überlegt in diese Abstimmung gegangen sind. Vor dem Parteitag hätte ich mit so einem deutlichen Ergebnis nicht gerechnet.

Auch Robert Habeck klang zuvor eher zurückhaltend, sprach von einem „offenen Ausgang“. War die Tiefstapelei vor allem taktisches Kalkül?

Nein, ich hatte beispielsweise in Pinneberg eine Diskussion, die eher positiv verlief, was ein Verhandlungsangebot angeht. Andere haben andere Erfahrungen gemacht. Grundsätzlich gibt es in der Basis aber viele Kontakte zu CDU und FDP, das hat vielleicht einigen geholfen. In der Fraktion war es am Anfang eher kritischer. Wir hatten ja eine gute Zeit als Küstenkoalition.

Die Jamaika-Stimmung an der Basis schien also ausgeprägter als in der Fraktion?

Das war zumindest meine Beobachtung. Wir haben insgesamt gemerkt, dass Zeit eine Rolle spielt: Wir sind aus einem Überzeugungswahlkampf gekommen, der klar auf eine erneute Küstenkoalition abzielte. Einen Tag nach dem Wahlergebnis den Schalter umzukippen, hätte nicht funktioniert.

52, ist Diplom-Verwaltungswirtin und seit 2012 Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kieler Landtag.

Robert Habeck sei kein Halbgott, sagten Sie voriges Jahr der taz. Den Wechsel zu CDU und FDP hat er aber schon wie ein Halbgott moderiert, oder?

Am Tag nach der Wahl war niemand auf Jamaika-Kurs, auch Robert Habeck nicht. Wir haben wirklich ernsthaft versucht, die FDP für Ampel-Gespräche zu gewinnen. Der Hauptpunkt für das Ergebnis der Abstimmung war, dass zwischen dem Wahltag und den Sondierungsgesprächen ein bisschen Zeit vergangen ist. Und dennoch war der Ausgang der Abstimmung nicht sicher, auch für Habeck nicht.

FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki hat den machtpolitischen Poker gewonnen. Die Grünen haben hingegen keine „Ausschließeritis“ betrieben und sich zurückgehalten. Zeigen Sie im Poker um Inhalte mehr Härte?

Wenn man nach dem Prinzip geht, wer das größere Sandkastenschäufelchen hat und fragt, wer wessen Burg kaputt macht, könnte man sagen: Seht her, die FDP hat sich der SPD verweigert, also verweigern wir uns dem G9-Zug – oder anderen inhaltlichen Themen. Das ist aber nicht unser Stil. Wir wollen eine gemeinsame Linie finden – die natürlich möglichst grün ist.

Da werden Sie auch Abstriche machen müssen. Bei welchen Themen fällt das am leichtesten?

Im Detail werde ich das nicht verraten. Klar ist, dass wir uns in Fragen der Flüchtlingspolitik, der Windenergie – dem Ausbau der Erneuerbaren –, Landwirtschaftsthemen und im Rechtsbereich nicht so leicht einig werden. Auch in der Schulpolitik bestehen Unterschiede.

Das große CDU-Wahlversprechen lautete, beim Abitur wieder den neunjährigen Zug (G9) einzuführen. Da könnten Sie mitgehen, oder?

Überall dort, wo ich Wahlkampf geführt habe, hieß es: Bleibt uns bloß vom Acker mit neuen Debatten über die Schulstruktur. Deshalb sagen wir: Wenn sich strukturell was ändern soll, dann muss das in einem Bildungsdialog mit den Betroffenen passieren. Viel wichtiger ist: Wir müssen die Schulen gut ausstatten. Wenn sich darauf alle einigen, ist G8 oder G9 eine zweitrangige Frage.

Trotzdem muss sie beantwortet werden.

Dazu haben wir ja Koalitionsverhandlungen – das Ergebnis ist offen.

Und in der Flüchtlingspolitik? Werden Flüchtlinge künftig auch aus Schleswig-Holstein konsequent abgeschoben, zum Beispiel nach Afghanistan?

Ich setze mich dafür ein, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um gerade Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen. Wir sehen ja, dass es etwa in Kabul mitnichten sicher ist. Und dort landen in der Regel die Abschiebeflieger. Ich bleibe deshalb dabei: Eine generelle Abschiebung nach Afghanistan ist inhuman.

Am Mittwoch beginnen die Koalitionsverhandlungen, schon am 13. Juni soll der Vertrag stehen. Sportlicher Zeitplan, oder?

Wir sind der Bevölkerung gegenüber in der Pflicht, schnell etwas vorzulegen. Für die Verhandlungen muss ich beispielsweise das verlängerte Pfingstwochenende mit meinen Enkeln opfern, das stimmt mich nicht froh, aber das ist unser Job.

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