Grünen-Ergebnis bei der Bundestagswahl: Puh, nochmal gut gegangen

Gut ist das Ergebnis der Grünen nicht, schlecht ist es auch nicht. Eine Regierungsbeteiligung scheint möglich. Ob die linken Grünen mitziehen?

Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt

Sooooo viele Stimmen haben wir (nicht) bekommen Foto: dpa

BERLIN taz | Um die komplizierte Stimmungslage der Grünen zu verstehen, ist eine Rückblende nötig. Im Wahlkampf 2013 fegte ein Sturm über die kleine Ökopartei hinweg. Ihre Gegner diffamierten sie wegen des Veggiedays als Verbotspartei. Wirtschaftsverbände und fast alle Medien verprügelten sie wegen des moderat linken Steuerprogramms. Passanten spuckten ihren Wahlkämpfern wegen der Pädophilie-Debatte vor die Füße.

Die zerfledderten Grünen endeten bei 8,4 Prozent. Und nun? Stapeln sich die Fragen. Etwas mehr als 9 Prozent schafften sie dieses Mal, ein Ergebnis, das die Grünen nachdenklich machen muss. Ein Prozentpunkt mehr als 2013, ist das nun gut oder schlecht? Der Ökopartei, das dämmerte am Sonntagabend vielen, stehen nun schwierige Wochen bevor.

Alles war für eine hippe Gute-Laune-Party geplant. Die Grünen trafen sich am Sonntagabend in einer ehemaligen Brauereihalle in Berlin-Neukölln. Gedämpftes Licht, viele junge Leute, Club Mate. Als um 18 Uhr die Prognosen über die Großleinwand laufen, tost Jubel durch die Halle. „War das eine gute Prognose?“, fragt die Moderatorin eine junge Grüne. Und liefert die Antwort gleich mit: „Ja, oder?“ Schließlich hatten die Umfragen die Grünen im Vorfeld durchweg bei 8 Prozent gesehen.

In der Tat ist die Sache noch mal glimpflich gelaufen. Manche in der Grünen-Spitze hatten vor dem Wahlsonntag auch mit schlechteren Werten gerechnet. In diesem Wahlkampf hatte keiner was gegen die nette Ökopartei.

Die grüne Braut hübschte sich auf

Die Dieselaffäre, der Eier­skandal oder Hurrikans schienen passgenau auf die Ideen der Grünen zugeschnitten. Die zwei Spitzenleute, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, traten betont bürgerlich auf, um die Mitte der Gesellschaft zu umwerben. Bloß keine Polarisierung, bloß keine Provokationen, hieß die Devise. Die grüne Braut hübschte sich auf für die Hochzeit mit der CDU-Kanzlerin.

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Andererseits: Gut 9 Prozent, wirklich stark ist das auch nicht. Da wären zum Beispiel die Ankündigungen der beiden Spitzenkandidaten. Göring-Eckardt und Özdemir verfehlten ihre selbst gesteckten Wahlziele deutlich. Eigentlich wollten sie die Grünen mit einem „deutlich zweistelligen“ Ergebnis auf den dritten Platz führen. Nun liegen sie einstellig hinter der rechtspopulistischen AfD und der FDP. Waren die Grünen zu glatt? Zu angepasst? War es richtig, aus jeder Pore auszustrahlen, unbedingt regieren zu wollen? Die Aufarbeitung dieses Wahlkampfes und der Vorjahre dürfte Monate dauern.

Um derart komplexe Fragen ging es am Sonntagabend allerdings noch nicht, die Grünen übten sich in Selbstvergewisserung. Immer, wenn die starken AfD-Zahlen auf der Leinwand zu sehen waren, gellten laute Pfiffe und Buhrufe durch die Halle. Die Grünen sehen sich als weltoffene, ökologische Kraft, die das Gegenteil von dem vertritt, wofür die Rechtspopulisten stehen.

Für viele linke Grüne ist Jamaika ein Graus

Auf die Grünen kommen jetzt schwierige Zeiten zu. Da wäre zunächst die Frage der künftigen Regierung. Merkel könnte sie bald zu Sondierungen für eine Jamaika-Koalition einladen – das ist die einzige Machtoption für die Grünen. Ein Bündnis mit CDU, CSU und FDP wäre für die Partei eine Zerreißprobe.

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Für viele linke Grüne ist Jamaika ein Graus, für einen Teil der Mitglieder auch, und das mittelmäßige Ergebnis legt nahe, dass am Sonntag vor allem die vielen treuen Stammwähler Grün wählten. Auch sie sind in der Regel keine Fans des schwarz-gelben Lagers. Schwierig. Einfacher wird die Situation nicht dadurch, dass die Grünen in den Tagen vor der Wahl heftig gegen die FDP und Schwarz-Gelb polemisierten. Mit diesem Move, der die eigene Klientel mobilisieren sollte, betonten sie die Distanz. Sich nun anzunähern, erfordert eine Flexibilität, die die enttäuschte Parteibasis überfordern könnte.

Göring-Eckardt und Özdemir können aus diesem Ergebnis einen Führungsanspruch ableiten, allerdings keinen so absoluten, wie sie sich wohl erhofften. Wer seine Ziele verfehlt, wird daran gemessen – auch wenn die Erleichterung am Sonntagabend überwog, dass der Absturz ausblieb. Linke Grüne wie Anton Hofreiter oder Jürgen Trittin werden in den anstehenden Verhandlungen Gewicht haben, sie stehen Jamaika skeptischer gegenüber.

Fraktionschef Hofreiter ließ sich am Sonntagabend noch nicht in die Karten schauen. Die Grünen würden mit allen demokratischen Parteien sprechen „und Möglichkeiten ausloten“, sagte er, als er nach möglichen Koalitionen gefragt wurde. Das Ausloten hat bereits begonnen.

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