Grünen-Politiker lehnt Olympia-Boykott ab: "Wir brauchen Sanktion gegen China"

Omid Nouripour findet, der Zeitpunkt, über einen Boykott zu reden, ist längst verpasst. Er spricht sich stattdessen für wirtschaftlichen Druck auf den Gastgeber der Olympischen Spiele aus.

Noch sieht's nicht so aus, als ob das Olympiastadion in Peking so leer bleibt wie derzeit. Nouripour: "Die Sportler sollen jetzt das machen, wozu die Politik nicht in der Lage ist." Bild: rtr

taz: Herr Nouripour, sind Sie für oder gegen einen Boykott der Olympischen Spiele in China?

Omid Nouripour: Ein Boykott ist doch Quatsch. Die ganze Boykott-Debatte ist so was von verlogen.

Warum verlogen?

Weil jetzt so getan wird, als hätte niemand vorher gewusst, dass in China Menschenrechte verletzt, dass Dissidenten verhaftet werden, dass das Volk der Uiguren und das Volk der Tibeter unterdrückt wird.

Frankreich ist in der Frage eines möglichen Boykotts der Olympischen Spiele in Peking zurückgerudert. Nachdem Außenminister Bernard Kouchner zunächst den Vorschlag von EU-Parlamentspräsident Hans-Gerd Pöttering und von Reporter ohne Grenzen, die Eröffnungszeremonie zu meiden, als "interessant" bezeichnet hatte, nannte er das am Mittwoch "unrealistisch". Der hessische Ministerpräsident Roland Koch schloss indes einen Boykott der Spiele nicht aus. Die Welt dürfe Tibet nicht alleine lassen, so der CDU-Politiker.

Sie übertreiben. Das wusste man schon bei der Entscheidung des Internationalen Olympischen Kommitees, die Olympischen Spiele nach China zu vergeben.

Eben. Der Zeitpunkt, ernsthaft über einen Boykott zu reden, wäre der Tag der Entscheidung des IOC für China gewesen. Von da an war klar, dass an den Olympischen Spielen 2008 Blut kleben wird. Aber das war dem IOC egal - und auch den westlichen Ländern. Das IOC wollte neue Wirtschaftsmärkte erschließen. Und dafür wurde ignoriert, dass Menschenrechte auch in der olympischen Charta verankert sind. Ich sage Ihnen, wenn der Iran nicht 80, sondern 800 Millionen Einwohner hätte, wenn der Iran eine aufstrebende Wirtschaftsnation wäre, dann hätte auch der Iran kein Problem, die Spiele zu bekommen.

Sie halten einen Boykott für verlogen. Wofür plädieren Sie dann?

Es gibt viel bessere Instrumente, China unter Druck zu setzen.

Welche meinen Sie?

Wenn man die Menschenrechte wirklich hochhalten und in China auch durchsetzen will, dann muss man gegenüber China zu Handels- und Wirtschaftssanktionen greifen. Das würde etwas bringen.

Das ist allerdings nicht durchsetzbar.

Aber die Diskussion wäre wenigstens ehrlicher. Wir müssen unsere Wirtschafts- und Handelsbeziehungen überprüfen. Wir müssen überprüfen, ob uns die Menschenrechte in dem Land wichtiger sind als der Bau der Transrapid-Strecke zwischen Shanghai und Peking. Zur Zeit scheint in Deutschland das Primat der Wirtschaft über dem Schutz der Menschenrechte zu stehen.

Also: Den politischen Boykott wird's nicht geben. Sollten wenigstens die Sportler während der Olympischen Spiele protestieren?

Das wäre gut, man kann sie aber nicht dazu verpflichten. Es gibt ja diese Vorschläge, die Sportler könnten doch T-Shirts mit dem Slogan "Free Tibet" anziehen.

Und?

Aber genau das ist das Heuchlerische: Die Sportler sollen jetzt das machen, wozu die Politik nicht in der Lage ist. Das ist eine ein Abschieben der Verantwortung seitens der Politik.

INTERVIEW: THILO KNOTT

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