Grüner Abschied: „Ich sag’ jetzt Tschüss“

Hamburgs langjährige grüne Spitzenfrau Christa Goetsch verkündet ihren Politikausstieg. 2008 führte sie ihre Partei in die erste schwarz-grüne Koalition Deutschlands.

"Ich muss mir nichts mehr beweisen": Christa Goetsch Bild: dpa

taz: Frau Goetsch, warum wollen Sie Ihre politische Karriere beenden?

Christa Goetsch: Es gibt doch den schönen Satz von der „Macht auf Zeit“. Ich bin jetzt seit 17 Jahren politisch aktiv in der Bürgerschaft und im Senat – eine schöne Zeit und eine lange Zeit. Deshalb bin ich zu der Entscheidung gelangt, bei der nächsten Wahl im Februar nicht mehr zu kandidieren. Ich sag’ jetzt Tschüss.

Ist das eine rein privat begründete Entscheidung oder gibt es auch politische Gründe?

Es ist eine rein persönlich motivierte Entscheidung. Ich habe in der Hamburger Politik eigentlich alles erreicht als Schulpolitikerin, als Fraktionsvorsitzende und dann als Zweite Bürgermeisterin und Senatorin. Ich muss mir nichts mehr beweisen und anderen erst recht nicht.

Sie haben 2008 als Spitzenkandidatin erstmals in Deutschland einen grünen Landesverband in eine Koalition mit der CDU geführt. War das im Rückblick ein Fehler?

Nein. Wir hatten damals eine besondere Konstellation. Die CDU war eine recht moderne Großstadtpartei, und sie hatte die Personen, die das repräsentierten, allen voran natürlich der Bürgermeister Ole von Beust. Damals konnten wir uns deshalb eine Zusammenarbeit vorstellen, und sie funktionierte ja auch zwei Jahre gut.

Bis von Beust hinschmiss. Hing die schwarz-grüne Koalition mehr an einer Person als an gemeinsamer Politik?

Die Koalition hing sicher sehr stark an bestimmten liberalen Personen, mit denen eine gute und faire Kooperation möglich war. Das Ende allerdings, das ist richtig, war nicht so schön. Denn als sich diese Personen verabschiedeten, war eine solche Kooperation nicht mehr möglich.

62, Studienrätin, grüne Bürgerschaftsabgeordnete in Hamburg seit 1997. Von 2002 bis 2008 Fraktionsvorsitzende, 2004 und 2008 Spitzenkandidatin im Wahlkampf. In der schwarz-grünen Koalition von 2008 bis 2010 Zweite Bürgermeisterin und Schulsenatorin.

Das Bündnis hielt also nur so lange, wie von Beust dabei war.

Das ist richtig.

Und es zerbrach über die Niederlage beim Volksentscheid zur Schulreform?

Der Rücktritt von Ole von Beust hatte damit nichts zu tun. Der zeitliche Zusammenhang war kein inhaltlicher. Und wir hätten das schwarz-grüne Bündnis durchaus fortsetzen können, wenn nicht größere Probleme in der Ausrichtung aufgetreten wären. Die CDU ist mit dem personellen Wechsel von Ole von Beust zu Christoph Ahlhaus auch deutlich konservativer geworden, das wurde immer schwerer zu vereinbaren.

Ihre Schulpolitik, für die Sie ja persönlich standen, war also kein Fehler?

Ganz im Gegenteil. Vielleicht waren wir zu früh, der Zeit etwas voraus, und haben deshalb den Durchbruch nicht geschafft. Das ist bitter. Aber der Atomausstieg hat auch 30 Jahre gedauert. Das sind schon dicke Bretter, die man da bohren muss. Ganz nebenbei: Über 60 Prozent der Gymnasialeltern haben sich in einer späteren Umfrage für ein längeres gemeinsames Lernen ausgesprochen. Und noch heute sagen mir Behördenmitarbeiter, dass sie selten so motiviert waren wie damals, weil sie inhaltlich von der Schulpolitik überzeugt waren. Das tut auch gut.

Also war die schwarz-grüne Koalition eine gute Idee?

Sie war mit Ole von Beust und seinem Team die richtige Entscheidung. Und sie war auch strategisch richtig, um die Grünen von der SPD als einzig möglichem Koalitionspartner zu emanzipieren.

Dann sehen Sie dieses Bündnis als Hamburger Modell für andere Bundesländer oder auch den Bund?

Wenn die Themen stimmen und die Personen zusammenfinden, ist das eine Option wie jetzt auch in Hessen.

Wenn Schwarz-Grün also so toll war – wie konnte es dann Olaf Scholz 2011 gelingen, mit der bloßen Behauptung, endlich mal ordentlich regieren zu wollen, die absolute Mehrheit für die SPD zu holen?

Es war sehr problematisch, dass wir einen Wahlkampf für Rot-Grün gemacht haben. Diese schnelle Bereitschaft zum Wechsel von der CDU zur SPD wurde von den WählerInnen nicht honoriert. Und dann haben zum Schluss noch einige statt uns Grüne gleich die Roten gewählt. Das waren Fehler von uns.

Wie sollten die Hamburger Grünen denn – ohne Christa Goetsch – die nächste Bürgerschaftswahl im Februar erfolgreicher gestalten?

Es muss ein eigenständiger Wahlkampf mit originär grünen Themen sein. Dieses ganze Koalitionsgeplänkel vorher schadet nur.

Aber sehr viele Optionen werden die Grünen ja nicht haben. Dann kann man die doch auch offen aussprechen?

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es am Ende eine rot-grüne Koalition geben könnte. Aber darüber zu reden lohnt erst, wenn man das Wahlergebnis kennt. Vorher ist alles Spekulation.

Was hat sich in der Stadt eigentlich verändert in den 17 Jahren ihrer aktiven politischen Präsenz?

Es waren viele beachtliche Schritte: die Homoehe, die Abschaffung der Hauptschule und Einführung der Stadtteilschulen, der Beginn der Kita-Reformen, eine jetzt völlig andere Debatte über Einwanderung und Integration, der Beginn einer Ökologisierung der Wirtschaft – es sind viele Mosaiksteine, die auf uns Grüne zurückzuführen sind. Was wir nicht geschafft haben, und wo wir immer noch hart kämpfen müssen – jetzt aus der Opposition heraus gegen die SPD –, ist eine humanere Flüchtlingspolitik.

Und wie hat sich Christa Goetsch in diesen 17 Jahren verändert?

Ich hoffe, nicht zum Schlechteren. Auf jeden Fall bin ich moderater geworden, etwas geduldiger vielleicht. Aber das Kämpferische, das Eintreten mit Herzblut für das, was ich für richtig halte, habe ich mir nicht abgewöhnt. Ich glaube, mein Temperament werde ich niemals an der Garderobe abgeben.

Und was machen Sie ab Februar 2015 ohne die Politik?

Ich bin weiterhin Lehrerin an der Luise-Schröder-Schule in Altona. Und ich werde mein ehrenamtliches Engagement verstärken in der Böll-Stiftung, im interreligiösen Dialog und im kulturellen Bereich.

Und dann gibt es noch weiterhin das Häuschen im Wendland?

Ja, auf jeden Fall. Und da werden mein Mann und ich künftig häufiger sein können und uns stärker einbringen ins kulturelle Wendland und in den Widerstand gegen ein Endlager Gorleben. Der Kampf geht ja vorerst weiter.

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