Grüner Sonderparteitag: Afghanistan und das Gewissen

Das Thema Afghanistan spaltet die Fraktion der Grünen. Einige kündigten bereits an, trotz des Göttinger Votums mit "ja" zum Bundeswehreinsatz zu stimmen.

Die Grünen nach dem Göttinger Parteitag: So klug als wie zuvor. Bild: dpa

So viel Presse gab es vor der Parteizentrale der Grünen in Berlin schon lange nicht mehr. Jeder Abgeordnete, der den gelben Altbau in der Luisenstraße betreten wollte, wurde schon an der Tür mit Fragen belagert: Was denn die Fraktion nun für Konsequenzen aus dem Debakel des Göttinger Sonderparteitages ziehe? Ob Köpfe rollen? Wer schuld ist?

Über die Konsequenzen ist sich die Fraktion offenbar genauso wenig einig, wie sie es vor dem Parteitag über den Tornado-Einsatz war - und bis heute ist. Während einige Grünen-Abgeordnete mahnten, den Parteitagsbeschluss ernst zu nehmen, betonten andere, die Abstimmung bleibe eine Gewissensfrage. Die Delegierten hatten am Samstag in Göttingen beschlossen, der Fraktion zu empfehlen, mit "nein" oder "Enthaltung" zum Einsatz der Schutztruppe Isaf in Afghanistan zu stimmen. Die Entscheidung im Bundestag steht im Oktober an.

Der verteidigungspolitische Sprecher Winfried Nachtwei empfahl, sich zu enthalten. Ähnlich äußerte sich Fraktionsvize Jürgen Trittin. "Beendet werden kann der Konflikt nur, wenn eine Mehrheit der Fraktion die Aufforderung der Partei zur Nicht-Zustimmung befolgt", sagte er am Montagmorgen in Berlin. Parteichefin Claudia Roth und die Fraktionsvizevorsitzenden Bärbel Höhn und Christian Ströbele mahnten, die Abgeordneten müssten die Parteitagsempfehlung ernst nehmen - was de facto eine Aufforderung bedeutet, nicht mit "ja" zu stimmen.

Eine Reihe von Grünen-Parlamentariern, die sich in den letzten Abstimmungen bereits sowohl für den Isaf- als auch für den Tornado-Einsatz entschieden hatten, bekräftigten dagegen ihre Haltung. "Ich habe als Außenpolitikerin drei klare Kriterien", sagte die Außenpolitikerin Uschi Eid der taz. "Erstens: Die rot-grüne Regierung hat den Einsatz beschlossen, wir können uns nicht aus der Verantwortung ziehen. Zweitens: Unsere Partner in Afghanistan wollen, dass die Bundeswehr bleibt. Drittens: Wir als Grüne haben uns einer multilateralen Politik verpflichtet. Da es sich um ein UN-Mandat handelt, müssen wir bleiben." Auch die frühere Fraktionschefin Krista Sager betonte, sie wolle ihr Recht auf Gewissensentscheidung wahrnehmen und entgegen dem Parteitagsbeschluss mit "ja" stimmen. Die ostdeutsche Abgeordnete Undine Kurth sagte sogar, sie werde allen drei Mandaten zustimmen, also auch dem umstrittenen Anti-Terror-Einsatz OEF. "Ich habe nicht die DDR hinter mich gebracht, wo mir eine zentrale Parteileitung vorgeschrieben hat, wie ich zu denken und zu stimmen habe, um jetzt mein Abstimmungsverhalten von der Weisheit der Entscheidung eines Parteitages abhängig zu machen."

Köpfe werden vorerst keine rollen - schon deshalb nicht, weil keine neuen Führungskräfte bereitstehen. "Ich weiß von niemanden, der über Rücktritt nachdenkt", sagte Reinhard Bütikofer am Montag in Berlin. Auf die Frage, ob das Konzept der Doppelspitze noch haltbar sei, antwortete der Parteichef: "Diese Frage erzeugt in der Partei ein ziemliches großes Gähnen."

Und wer die "Rebellion der Basis" - selbst Bütikofer gab zu, Göttingen sei schließlich kein "Fünf-Uhr-Tee" gewesen - nun zu verantworten hat: Dies sei eine Frage, die "hinter verschlossenen Türen" geklärt werden müsse. Kleine Spitzen blieben dennoch nicht aus: Indirekt beschuldigte Bütikofer die Fraktionsspitzen Renate Künast und Fritz Kuhn sowie Jürgen Trittin, sie hätten sich nicht für einen Kompromiss eingesetzt. Ähnliche Kritik übte der Verteidigungspolitiker Alexander Bonde: "Wer vor dem Parteitag nicht geführt hat, braucht jetzt nicht anzufangen, in meine Gewissensfrage hineinzureden."

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