Grundsatzurteil zu Kirche und Asyl: Kirchenasyl ist nicht „untertauchen“

Hat sich ein Mann im Kirchenasyl „unerlaubt“ in Deutschland aufgehalten? Nein, urteilt das Oberlandesgericht München.

Blick an einem Kruzifix vorbei in einen Raum, in dem mehrere Matratzen liegen

Kirchenasyl in Hamburg (Archivbild) Foto: dpa

FREIBURG taz | Einem Flüchtling im Kirchenasyl droht keine Strafverfolgung, solange sein Fall vom Bundesamt für Flüchtlinge (BAMF) geprüft wird. Das entschied jetzt das Oberlandesgericht (OLG) München in einem Grundsatzurteil. Das Kirchenasyl an sich habe aber keine rechtliche Wirkung, betonten die Richter.

Konkret ging es um den Nigerianer Evans I., der über Italien in die EU eingereist war. Nach den Dublin-Regeln sollte deshalb sein Asylverfahren in Italien durchgeführt werden. Er erhielt jedoch von Mai bis Oktober 2016 in der katholischen Pfarrei St. Jakob in Freising Kirchenasyl und wurde deshalb nicht nach Italien zurückgeführt.

Nach den Regeln, die das BAMF und die christlichen Kirchen 2015 vereinbart haben, gewähren die Kirchen in Dublin-Fällen nur dann Kirchenasyl, wenn im zuständigen EU-Staat eine besondere Härte droht, etwa wegen eklatanter Defizite bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Im Gegenzug prüft das BAMF, ob es von seinem Recht auf „Selbsteintritt“ Gebrauch macht, um ein Asylverfahren in Deutschland zu ermöglichen. Derzeit gibt es in Deutschland 445 Fälle von Kirchenasyl, davon sind 375 Dublin-Fälle.

Auch im Fall von Evans I. übernahm das BAMF im August 2016 das Verfahren. Anschließend verließ I. das Kirchenasyl. Eine endgültige Entscheidung über den Asylantrag ist noch nicht gefallen.

Allerdings klagte die Staatsanwaltschaft Landshut den Nigerianer strafrechtlich wegen „unerlaubten Aufenthalts“ an. Seine Zeit im Kirchenasyl wurde mit einem „Untertauchen“ gleichgesetzt. Als Evans I. vom Amtsgericht Freising freigesprochen wurde, ging die Staatsanwaltschaft in Sprungrevision zum OLG München. Sie wollte ein Grundsatzurteil haben. Aus ihrer Sicht ist das Kirchenasyl ebenso rechtlich irrelevant wie die Vereinbarung zwischen Kirchen und BAMF.

Das OLG bestätigte jedoch den Freispruch. Wenn sich das BAMF auf Grundlage der Abmachung von 2015 in einer Einzelfallprüfung erneut mit einem Fall beschäftigt, bestehe Anspruch auf eine Duldung und dies stelle ein Abschiebungshindernis dar. Für den Zeitraum der BAMF-Prüfung bestand daher keine Strafbarkeit wegen unerlaubten Aufenthaltes.

Gegen das Urteil sind keine Rechtsmittel mehr möglich, es ist rechtskräftig. Dies dürfte auch die Verantwortlichen der Kirchengemeinden beruhigen, die Kirchenasyl gewähren. Ihnen hätten sonst Strafverfahren wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt gedroht.

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